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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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küssen, aber sie wandte den Kopf ab.
    »Wo bringen sie uns hin?«, murmelte sie mit tränenüberströmtem Gesicht.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. Aber in Wahrheit hatte ich da so eine Ahnung. An denselben Ort, an den auch der alte Rasta gebracht worden war. An den Ort, wo er meinem Vater begegnet war.
    An den Ort, wo er die Bäume gesehen hatte.

Kapitel 44
    W ir fanden Crow und trugen ihn hinaus aufs Deck, damit er das Wasser sehen konnte. Ich fragte nicht, wie sie ihn wieder zusammengeflickt hatten, da ich es mir inzwischen gut vorstellen konnte.
    Aber warum? Das hätte ich gerne gewusst. Wozu hielten sie uns am Leben? Und was war so wichtig, dass man uns deswegen so weit fortschaffen musste?
    »Du hast doch für sie gearbeitet«, sagte ich zu Crow, als wir uns zitternd an der Reling zusammenkauerten und zusahen, wie die Gischt auf dem Wasser schäumte. »Du hast für GenTech gearbeitet. Also, was meinst du: Was zum Teufel haben sie vor?«
    Crow drehte langsam den Kopf, bis er von mir wegblickte. Als gäbe es in dieser Richtung etwas zu sehen, was in jeder anderen verborgen blieb. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
    »Ich habe für sie gearbeitet.« Das waren die ersten Worte, die ich von ihm hörte, seit er diesen neuen Körper hatte. »Für die Security. In den unteren Rängen wurden irgendwann zu viele Fragen gestellt. Mein Job war es, sie zum Schweigen zu bringen.«
    »Zu viele Fragen? Worüber denn?«
    »Über das, was passiert ist.«
    Verwirrt starrte ich ihn an.
    »Das hier.« Crow deutete mit dem Kinn nach vorne. »Das alles.«
    »Und was ist das?«
    »Das passiert mit den Leuten, die entführt werden. GenTech nennt es ›Projekt Zion‹.«
    »Und was zum Teufel bedeutet das?«
    »Ich weiß es nicht.« Crow zuckte mit den Schultern. »Ich sollte die Fragen unterbinden, nicht die Antworten finden. Aber angeblich hat GenTech verzweifelt nach Bäumen gesucht. Irgendwann bin ich auf diese Legende von dem Wald und der Frau, die einen hinführt, gestoßen. Also habe ich angefangen, nachzubohren. GenTech hat versucht, mich auszuschalten. Sie haben mich geschnappt und unter Drogen gesetzt. Aber ich bin entkommen. Habe weitergegraben, bin Hinweisen nachgegangen. Bis ich die Frau gefunden hatte. Und das Tattoo.«
    »Und du meinst, die Bäume befinden sich jenseits des Wassers?«, hakte ich nach. »Ich meine, was ist, wenn es so wäre? Wenn sie wirklich da draußen sind?«
    »Hier?«
    »Genau.«
    »Tja, dann hätte GenTech mir einfach ein Ticket verkaufen sollen, statt mich in Scheiben zu schneiden.«
    »Denk nach«, beharrte ich. »Projekt Zion.«
    »Zion, Bäume. Was du beschreibst, ist der Himmel, Junge. Aber wir sind auf dem direkten Weg in die Hölle.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Könnte sein, dass da eines wie das andere ist.«
    Ich beobachtete die Eisbrocken, die auf dem Wasser schwammen. Und ich dachte an meinen Vater, festgekettet an einem Baum, gefangen in einem Wald unter klarem, blauem Himmel.
    Das hier war das Schiff. Es konnte gar nicht anders sein.
    »Irgendwo da draußen ist mein alter Herr.« Entschlossen drehte ich mich zu Alpha um. »Und vielleicht auch deine Mutter. Harvest war ein Teil dieser ganzen Operation.«
    Alpha sah nur zu Crow hinüber und starrte dann wieder auf das Wasser hinaus.
    »Was denn?«, protestierte ich.
    »Wahrscheinlich ist sie der Meinung, du solltest die Sache ruhen lassen.«
    »Tja, noch ist nicht Frühling. Und ich werde jetzt bestimmt nicht aufgeben.«
    Die Eisbrocken wurden immer größer und ragten richtig aus dem Wasser auf. Das Schiff glitt zwischen gefrorenen Hügeln und zerklüfteten weißen Spitzen hindurch. Die kleineren Stücke zermalmte es einfach unter dem Rumpf.
    Wir wickelten uns fest in unsere Plastikplanen, drängten uns aneinander und warteten darauf, dass unsere Zukunft erscheinen würde. Doch das Eis wurde nur immer dicker und dicker.
    Dadurch hätten wir beinahe die Insel übersehen.
    *
    Sie war ziemlich groß, und direkt hinter dem braunen Uferstreifen erstreckten sich schneebedeckte Hügel. Als wir uns dem Land näherten, ging auf dem Schiff eine Sirene los, die so laut heulte, dass wir uns die Ohren zuhalten mussten.
    »Mir ist kalt«, brüllte Alpha, stand auf und schlurfte wieder hinein. Der Wind war stärker geworden, und es graupelte leicht. Aber ich konnte den Blick einfach nicht von der Insel abwenden.
    Das war’s dann also. Endstation.
    Aus der Nähe erkannte ich, dass die Insel schwamm. Sie war auf einem gigantischen

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