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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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aber da war sie schon aufgesprungen und packte mich. Da ich zu langsam war, konnte sie die Arme um mich schlingen und mich gewaltsam an sich ziehen. Ich war noch geschwächt. Zu geschwächt für einen Kampf.
    »Wo ist Zee?«, flüsterte ich wieder und drückte das Gesicht gegen ihr violettes Oberteil.
    »Sie kommt bald zurück.«
    »Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Das tut mir leid.«
    Ich drehte mich, um sie ansehen zu können. Sie drückte mich so fest an sich, dass mir fast die Luft wegblieb.
    »Es fällt mir so schwer, meine Wut zu unterdrücken«, sagte sie. Ihre Stimme klang gelassen, aber ihre Augen funkelten wild. »Du weißt nicht einmal, wer ich bin.«
    »Aber klar doch«, protestierte ich. »Du bist Hina.«
    »Nein.«
    »Eine Kopie von ihr.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann eben ihre Schwester. Oder ihre Mutter.«
    Es dauerte einen Moment, bis die Frau wieder etwas sagte. Eine Weile lang hielt sie mich einfach nur fest, und irgendwie ahnte ich, was sie sagen würde, noch bevor sie es aussprach.
    »Ich bin nicht Hinas Mutter«, flüsterte sie dicht neben meinem Ohr. »Ich bin
deine
Mutter.«

Kapitel 46
    D as ist nicht wahr, redete ich mir ein. Versuchte auch, ihr das zu sagen. Meine Mutter war tot. Schon immer. Sie war verhungert. Der Hunger hatte sie umgebracht. Aber irgendwie fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren. Ich konnte nicht klar denken.
    »Mach es nicht noch schwerer«, sagte die Frau. Wir standen immer noch eng umschlungen mitten im Raum.
    Mit einer ruppigen Bewegung machte ich mich von ihr los. »Du redest Blödsinn.«
    »Warum sollte ich dich anlügen?«
    »Das kannst du nicht wissen. Woher willst du das wissen?«
    »Ich muss es nicht wissen«, erwiderte sie. »Das erledigt die Wissenschaft für mich.«
    »Wissenschaft?«
    »Deine Gene.«
    »Meine was?«
    »Sie sind ein perfektes Abbild meiner DNA «, erklärte die Frau. »Und der deines Vaters.«
    »Mein Vater?«
    »Ja.«
    »Wo ist er?«
    »Er ist hier.«
    »Was?« Unwillkürlich ballte ich die Fäuste. Mir schlug das Herz bis zum Hals.
    Mein alter Herr – hier?
    »Ich werde dich zu ihm bringen«, versicherte mir die Frau. »Wenn du so weit bist.«
    »Das bin ich jetzt schon.« Ich begann zu zittern.
    »Nein, Banyan, das bist du nicht.«
    »Bring mich zu ihm!«, schrie ich. Ich griff nach einem der Monitore und schleuderte ihn gegen die Wand. Funkelnde Scherben glitten über den Boden.
    Die Frau versuchte mich festzuhalten, aber ich entzog mich ihr und rannte zu der Tür am anderen Ende des Labors. Mein Vorsprung wäre groß genug gewesen, doch als ich die Tür erreichte, schwang sie auf, und Zee stürmte auf mich zu. Sie war ganz in Violett gekleidet und grinste breit. Noch bevor sie etwas sagen konnte, schnauzte ich sie an: »Was ist los mit dir? Hol mich hier raus. Hol mich raus!«
    »Ich habe dich doch rausgeholt«, flüsterte sie, und ihr Lächeln verblasste wie eine untergehende Sonne. Ich wollte mich an ihr vorbeischieben, aber sie stand zu dicht vor mir. Ich fühlte mich plötzlich völlig ausgelaugt, und meine Beine spielten nicht mehr mit.
    »Beruhige dich«, sagte Zee leise, dann blickte sie über meine Schulter. »Was hast du ihm erzählt?«
    Ich spürte, wie die Frau sich näherte. »Dass er mein Sohn ist.«
    »Und das von seinem Vater?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte ich Zee, aber es war kaum mehr als ein Lallen. Ich konnte mich nur mit Mühe auf den Beinen halten.
    »Stellt ihn ruhig«, sagte eine der beiden. Dann verschwamm alles vor meinen Augen.
    *
    Als mein Verstand sich zurückmeldete, lag ich wieder im Bett, und alle Lichter waren aus. Vorsichtig versuchte ich, mich zu bewegen, aber mir tat alles weh. Irgendetwas drückte gegen meinen Oberschenkel und stach durch die Bettdecke. Mühsam schob ich meine Hände darauf zu, bis ich danach greifen konnte.
    Metall, kalt und spitz. Ich tastete mich voran. Kanten und Rundungen. Eine Art Stachel bohrte sich in meine Haut, bis ich blutete.
    »Man nennt es Rose«, erklärte Zee aus einer Ecke. Ich sah mich um, aber sie stand im Schatten.
    »Er hat sie gemacht«, fügte sie hinzu.
    »Pa?«
    »Ja.« Jetzt kam Zee näher und schaltete eine orange leuchtende Kugel ein, die neben mir auf dem Boden stand. »Unser Vater.«
    »Unser?«
    Sie nickte, aber ich wandte den Blick ab. Mein Hirn weigerte sich, das zu akzeptieren.
    Ich hob die Blume ins Licht und musterte sie fachmännisch: Stacheldraht, der durch den Rost eine violette Färbung angenommen hatte, war zu

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