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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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legen wollte.
    »Ja, Lewis und Clark.«
    »Entdeckergeschichten hat er immer geliebt. Ich sollte wahrscheinlich froh sein, dass ihr etwas zu lesen hattet. Mir haben sie schon seit fünf Jahren keine Bücher mehr gestattet. Sie behaupten, das töte die Produktivität.«
    »Ich habe immer noch nicht so ganz begriffen, was du hier machst.«
    Sie wollte etwas sagen, aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Und du behauptest, ich hätte dir gefehlt. Dabei kennst du mich doch gar nicht.« Ich setzte mich auf und starrte sie an.
    »Wir könnten uns doch kennenlernen«, sagte sie vorsichtig.
    »Und warum sollte ich das wollen?«
    »Weil ich deine Mutter bin.« Jetzt versuchte sie, streng zu klingen, aber es wurde zu einem Flehen.
    Ich ließ sie schmoren. Sah zu, wie ihr die grauen, strähnigen Haare ins Gesicht fielen.
    »Ich könnte etwas für dich bauen«, sagte ich dann. Das überraschte sie. Solche Lügen sind die besten. Ich beobachtete, wie sie die Augen aufriss und ihre Lippen anfingen zu zittern. »Und du könntest mir deine Arbeit zeigen. Mir dabei helfen, mich zu entscheiden, ob ich das nächste Schiff nehmen und verschwinden soll oder nicht.«
    »Ich könnte dich zwingen, hierzubleiben. Wenn ich das wollte.«
    »Aber das wirst du nicht tun. Nicht, wenn ich nicht bleiben will. Zee mag ja glauben, du wärst die beste Mutter, auf die sie noch hoffen kann. Aber ich bin nicht Zee. Und wenn du willst, dass ich freiwillig hierbleibe, wirst du dir das verdienen müssen.«
    »Dann willst du mir also Bäume bauen?«
    »Klar doch«, versicherte ich. »Sobald ich meinen alten Herrn gesehen habe.«
    »Du kannst ihn nicht sehen. Noch nicht.« Sie zögerte kurz. »Er ist beschäftigt.«
    »Womit? Mit dem Eingesperrtsein?«
    »Das ist kompliziert.«
    »Für mich klingt das alles ganz einfach: Ihr habt ihn eingesperrt, als er versucht hat, deine Experimente zu stoppen.«
    »Er hat es nur mir zu verdanken, dass er überhaupt noch lebt.«
    Ich schüttelte leicht den Kopf, als wäre ich allein durch dieses Gespräch schon völlig erschöpft.
    »Morgen Abend«, verkündete sie schließlich. »Morgen Abend kann ich dich zu ihm bringen.«
    Eine Weile lang sagte ich gar nichts. Das war nur ein Tag, und ich musste das alles genau richtig angehen. Welche Wahl blieb mir also?
    »Gleich morgen früh fange ich an, Schrott zu sammeln«, versprach ich. »Auf dieser Insel gibt es massenhaft Metall. Ich kann alles ausgraben, was ich brauche.«
    »Und wo willst du bauen?«
    »Genau in der Mitte von eurem Wald.«
    »Dort, wo wir geerntet haben?«
    »Genau. Ich werde die Lücke schließen, die ihr geschaffen habt.«
    »Und ich kann dir zeigen, welche Fortschritte wir gemacht haben.«
    »Ich will einfach nur Pa sehen.«
    »Das wirst du.«
    »Eine Sache wäre da allerdings noch. Mein Freund … der Mann, der hier ist und sich ausruht. Du musst ihn wieder zusammenflicken, für mich.«
    Sie beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Schnell setzte ich ein künstliches Grinsen auf, bevor ich zurückwich.
    »Ich werde mein Bestes geben«, sagte die Schöpferin und stand auf. Sie lächelte, was auf ihrem Gesicht allerdings nicht besonders natürlich aussah. Es wirkte nicht so, als würde sie das sonderlich oft tun.
    »Mein Leben lang habe ich versucht, die Dinge in Ordnung zu bringen«, sagte sie auf dem Weg zur Tür. »Das ist das Einzige, was ich wirklich gut kann.«
    Dann ging sie, während ich darüber nachgrübelte, ob irgendein Teil von mir diese Frau kannte – durch meine Erinnerungen, meinen Vater, durch Hina oder durch Zee. Ob etwas von dem, was sie war und was sie wusste, in mir verankert war. Doch dann fiel mir wieder ein, was Hina gesagt hatte, als wir auf dem Sklavenschiff festsaßen und ich dem Harvestduplikat die Pistole an den Schädel gedrückt hatte.
    Den Körper können sie kopieren. Aber nicht den Verstand.
    Anscheinend konnten Fleisch und Blut sich gegenseitig gebären. Aber das war es dann auch. Und damit endet auch alle Schuld.
    *
    Als ich endlich einschlief, träumte ich von Alpha. Ihre Haut wirkte ganz normal, ihre Augen funkelten, und sie rannte schwitzend über die Ebene und versuchte, mich zu finden.
    Du hast es vergessen, sagte ihr Blick. Aber ihre Lippen bewegten sich nicht. Ein Stück rosafarbene Borke war über ihren Mund genäht worden, und ich hörte nur ihr Stöhnen, konnte weder ihre Zähne noch ihre Zunge finden. Also küsste ich ihre Schultern, ihre Beine, ihren Hinterkopf, die Borke auf ihrem

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