Der eiskalte Himmel - Roman
Thomas lächelt stolz.
Ich sage: »Würde gerne mal mit einem fahren.«
Und er: »Kein Problem! Fass mit an, dann habe ich sie schneller im Boot.«
»Tja, das Essen, ich muss die anderen zum Essen holen.« Und ich mache, dass ich wegkomme.
Auch Chippy McNeish, dem Schiffszimmermann, der in der Rigg einen Extrabunker für Kohle zusammennagelt, und unserem Maschinisten Rickenson, unten im Bauch der ENDURANCE mit dem Abklopfen und Durchpusten der Dampfmaschineneingeweide beschäftigt, muss ich Bescheid geben, dass Green und Black gezaubert haben. Die beiden sind, abgesehen von mir, der ich hin und her, hinauf und hinunter durchs Schiff wetze, derzeit so ziemlich die Einzigen an Bord, die den ganzen Tag arbeiten. Kein Wunder, dass sie wissen wollen, was auf dem Speiseplan steht. Auf Shackletons Wunsch hin gibt es Irish Brawn. Weder McNeish noch Rickenson können sich darunter etwas vorstellen.
Wahrheitsgemäà sage ich, dass es aussehe wie Brot, dass es aber Schweinskopf in Gelee sei.
»Woher das Schwein?«, will der Käptân bei Tisch wissen. Und da keiner etwas sagt, muss Shackleton persönlich damit herausrücken.
»Bosân, Songster und zwei andere Hunde sind heute Morgen aus dem Zwinger entwischt und haben eines von Jacobsens Schweinen erlegt. Guten Appetit, Gentlemen.«
An einigen Tagen haben Green und ich kaum mehr als zehn hungrige Mäuler zu stopfen, weil alle anderen Männer unterwegs sind. Wir nutzen die Zeit, um alte Vorräte zu sichten und neue anzulegen. Pinguin- und Robbenfleisch wird eingepökelt, ich schaffe meterweise neuen Helden-Zwieback in die Brotkammer. Unterdessen erlegen Bosân, Songster, Sue und Roy drei weitere norwegische Schweine. Keine drei Stunden später sind sie eingepökelt. In Mrs. Chippys Mäusejagdrevier, den Magazinen im Unterdeck, ist es so kühl wie früher im Winter um sieben Uhr morgens im Wohnzimmer meiner Eltern, wenn ich die Treppe herunterkam, um zu frühstücken und zur Schule zu gehen. Dabei steht auf einer Kiste mit Belmont-Stearinkerzen »Extra für heiÃes Klima«; auf der Verpackung prangt das Bild eines Häuptlings, der sich überm Feuer am Palmenstrand eine Köstlichkeit zubereitet. Beim Anblick der Dosen und Kisten in den Regalen bekomme ich Heimweh. Mit orange-blauen Huntley & Palmer-Keksdosen, grüngoldenen Sirupdosen von Lyles und der Etikettform auf den Ketchupflaschen von Heinz bin ich aufgewachsen. Von der Hefe mit der Sonne darauf weià meine Mutter: »Die geht immer auf.«
Das weià auch Green, der jedoch nicht die unerklärliche innere Uhr von Gwendolyn Blackboro besitzt. Aber er weià sich anders zu behelfen. Auch Green ist auf seinem Gebiet von ungeheurem Einfallsreichtum. Er legt eine kleine Metallscheibe oben auf die Hefe. Wenn die bis zur richtigen Höhe aufgegangen ist, kommt die Scheibe in Kontakt mit einem anderen Stück Metall, woraufhin sich ein elektrischer Kreis schlieÃt und ein in der Galley angebrachtes Glöckchen bimmelt. Dort sitzt Green, schlummert oder liest die Illustrated London News vom Frühjahr.
Es wird keinen Krieg geben â¦
lautet die Ãberschrift einer Anzeige, unter deren Abbildung klein gedruckt steht:
Und sollte es doch Krieg geben, decken Sie sich rechtzeitig mit Mehl von Stingerâs ein!
Kaum etwas ist für die Männer wichtiger als Essen. Uzbird meint, das liege daran, weil nur Essen halbwegs einen Ersatz für Sex biete. Darüber muss ich noch nachdenken. Tatsache ist, dass sein Erfindungsreichtum dem Koch die Anerkennung an Bord sichert. So verehren die Männer Green geradezu, weil es ihm gelingt, Erbsen einen leichten Minzgeschmack zu verleihen. Ich hingegen weiÃ, dass er bei Erbsen einen Klacks Zahnpasta in den Topf rührt.
»Du wirst schon sehen«, sagt er zu mir, »bald spielen sie wieder âºUnd-wem-gehört-diese-Portion?â¹.«
Wenn während langer Wochen im Eis Essen ausgeteilt wird, muss jeder der Reihe nach die Augen zumachen und bekommt einen gefüllten Teller in die Hand. Ohne zu wissen, wie viel auf dem Teller ist, muss er denjenigen bestimmen, der die Portion aufessen darf.
»So werden sie mir oder dir keine Ungerechtigkeiten vorwerfen können, klar? Ãhh! Pass nur auf, wenn die Rationen erst knapper werden. Dann fangen sie an, von Essen zu träumen. Dann geht das Geheul los, und sie beklagen sich sogar, dass sie seinerzeit, und wenn
Weitere Kostenlose Bücher