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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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es zehn Jahre her ist, irgendeinen Nachschlag ausgeschlagen haben.«
    Abgesehen davon, dass ich mir das von Männern wie Tom Crean und Alfred Cheetham nicht vorstellen kann, finde ich es merkwürdig, dass Green die ganze Zeit von »ihnen« spricht. Wieso nimmt er sich aus? Und mich? Ich zähle nicht. Auch das hat Green mit Mom gemein: »Wartet nur, bis ihr mal nichts als Luft aus dem Teller löffelt«, hätte sie gesagt.
    Â»Die feinen Herren«, piepst Green böse. »Noch sprühen sie sich mit Kölnischwasser ein und verstecken ihre Schokolade vor sich selbst, damit sie nicht zu fett werden.«
    Wird schon etwas dran sein, Green, du bucklige Brotkröte. Es heißt nicht umsonst, dass sich auf einem Schiff jedes Ereignis von Bedeutung zuerst in der Kombüse ankündigt.
    Dort bin ich am Morgen damit beschäftigt, die Presskopfsülze aus dem Topf in die Tonne zu kippen, als Greenstreet in der Tür auftaucht und mich mit der unnachahmlichen Sachlichkeit des Mensch gewordenen Bordregelwerks auffordert, in zwanzig Minuten an Deck zu erscheinen, und zwar gekämmt, gewaschen und ohne Essensreste auf dem Pullover. Ich soll Shackleton nach Grytviken rudern.
    Â»Sir? Ich, Sir? Warum das?«
    Â»Fragen Sie nicht, Mister Blackboro, machen Sie es einfach. Es wird schon nicht wehtun.«
    Â»Sicher, Sir?«
    Unmöglich, dem Ersten Offizier der ENDURANCE nur den Anflug eines Lächelns abzuringen. Er sieht einen so lange unverwandt an, bis man woanders hinschaut. Tut man’s nicht, kommt man sich wie sein eigenes Gespenst vor, das das Gerippe eines schon Dahingeschiedenen bewohnt, und das widerrechtlich.
    Die Frühstückstafel im Ritz gleicht an diesem Morgen einem Tisch auf dem Trödelmarkt. Wordie hat Gesteinsbrocken neben den graugrünen Fetzen von Moosen und Flechten ausgebreitet, die Clark mit einer Lupe untersucht, während er genüsslich an einem Marmeladenbrot knabbert. Der grimmige Marston sichtet und beschriftet seinen Zeichenblock, und Hurley, der nicht umsonst der Prinz genannt wird, putzt auch heute, duftend nach Eau de Cologne, ein, zwei oder auch drei seiner in ihre Einzelteile zerlegten Kameras. Frank Hurley ist völlig aufgekratzt. Die Norweger wollen ihn auf Finnwaljagd mitnehmen. Ich stelle den vieren Kaffee hin.
    Plötzlich kommt Bewegung in die Runde. Clark hat auf einem von Wordies dunkelgrauen, nach nichts als Stein aussehenden Steinen etwas entdeckt.
    Â»Wo hast du den her?«, fragt er so harmlos, als ginge es um einen Schlips. Dabei ist ihm die Aufregung deutlich anzumerken. Ob Moos oder Flechte, das, wonach Clark seit Tagen im schwarzen Südgeorgien-Geröll gesucht hat, befindet sich auf diesem Brocken, der Wordie gehört.
    Er geht die Sache frontal an. »In diesem Stein«, sagt er langsam, »befindet sich die Kurzfassung der ganzen Antarktisgeschichte. Seine Mikroorganismen schneiden ihn Schicht für Schicht ab, wie eine Salami. Es dauert 10000 Jahre, eine einzige Scheibe abzuschneiden. Hier kann man schön sehen, wie sich biologische und geologische Zeiträume überlappen. Fantastisch. Kann ich ihn haben?«
    Â»Nein«, sagt Wordie, ohne aufzusehen. »Du kannst ihn dir angucken.«
    Clark legt den Stein auf den Tisch zurück, und Marston und Hurley lachen.
    Â»Hau mit dem Hammer drauf, dann hat jeder ein Stück«, sagt einer der beiden.
    Â»Nein, nein, ist schon gut.«
    Bob Clark ist gekränkt. Er nimmt seine Brille ab. Blind und wehrlos steht er da, haucht auf die Gläser und putzt sie mit solcher Hingabe, als sei er froh, uns eine Zeit lang nicht sehen zu müssen. Dann sammelt er sachte seine Trödelflechten ein.
    Â»Wahrscheinlich irre ich mich sogar«, meint er. »Aber damit kann ich leben. Wissenschaft muss immer optimistisch sein? Ich halte das für grundverkehrt. Richtig verstandene Forschung baut auf Fehler auf.«
    Â»Hört, hört«, höhnt Marston. »Noch einen Schritt weiter, und du stürzt Hals über Kopf in den Abgrund der Kunst, Bobby. Dann gehörst du zu uns, den Zweiflern!«
    Â»Er soll einfach nicht so übertreiben«, meint jetzt Wordie, der alle Steine in seinen Kasten geräumt hat, außer dem einen, auf den Clark so scharf ist. »Hier, nimm ihn, Bob. Ich hab noch mehr davon.«
    Â»Zweifel ist kein Zeichen von Kunst, George«, sagt Hurley ruhig in Marstons Richtung. In erstaunlichem Tempo hat er alle Teile vor sich auf dem

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