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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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nicht verfolgt und nicht angezweifelt. Sie waren perfekte hygienische Produkte einer perfekten hygienischen Welt. Sie waren Zombies.
    Gleichartig stand es um die Musik. Nichts ließ sich auch nur annähernd mit den Werken Bachs, Beethovens und Brahms vergleichen, nicht einmal mit denen von Strauß. Keine Glut. Keine Leidenschaft. Keine Ergriffenheit. Die besten minervischen Werke entsprachen den schlechtesten Werken Mozarts. Selbst die volkstümliche Musik und die volkstümlichen Lieder waren vereinheitlichter Stumpfsinn.
    Offensichtlich beherrschten die Minervier hervorragende Wissenschaften und Technologien, die sie in die Lage versetzten, unter der Oberfläche einer Eiswelt eine dreitausendjährige Zivilisation mit einer stabilen Bevölkerungszahl von zehntausend Menschen zu erhalten, doch der künstlerische Impuls – die Kreativität, die den Sinngehalt des Lebens ausmachte – schien abgestorben zu sein. Von der Menschheit waren nur zehntausend hygienische, absolut gleichgeschaltete Zombies übrig, eine Handvoll angepaßter Kinder der Erde, ein restaurierter gealterter Adam und eine verblaßte Eva. Die Gegebenheiten sprachen sehr gegen eine Neuauflage des Gartens Eden.
    Jedenfalls dachte Idris so, bis sein zweiter weiblicher Besucher eintraf.
    Das Mädchen trug den rundum entzückenden Namen Damaris de Gaulle. Der Nachname klang irgendwie vertraut. Idris bemühte sein Gedächtnis. Im 20. Jahrhundert, so entsann er sich, gab es auf der Erde einen französischen General namens de Gaulle, der im Zweiten Weltkrieg eine weniger bedeutende Rolle gespielt hatte. Vielleicht war dieses junge Mädchen eine sehr entfernte Verwandte jenes Generals.
    Damaris de Gaulle war sehr jung. Sie konnte kaum älter als zehn M-Jahre sein, also weniger als zwanzig Erdjahre. Sie besaß langes, blondes, prächtiges Haar, ein wenig grobe Gesichtszüge und einen wohlgeformten und gebärgeeigneten Körper.
    Sie widmete Mary einen kühlen, selbstsicheren und ziemlich feindseligen Blick und wandte sich unverzüglich an Idris.
    »Wir wissen, daß dieser Raum unter keinerlei Bewachung oder Beobachtung steht«, sagte sie. »Deshalb können wir uns ungehindert unterhalten. Ich will ehrlich und aufrichtig zu Ihnen sein. Ich würde es begrüßen, wären Sie auch ehrlich zu mir.«
    »Wir?« fragte Idris. »Wer ist das?«
    »Das ist unwichtig. Wir selbst nennen uns Freunde der Straßen. Wir sind junge Leute. Wir leben in den Nächten. Darf ich Kapitän zu Ihnen sagen?«
    Idris lachte. »Wenn es Ihnen gefällt, ja. Es ist höchst unangemessen, denn ich führe kein Kommando mehr. Aber das ist gleichgültig. Warum besuchen Sie mich? Neugier? Um den Barbaren von der Erde zu sehen?«
    Damaris lächelte. »Man nennt Sie Onkel Jesus, aber Kapitän gefällt mir besser. Es ist würdevoller. Es klingt nach Autorität.«
    »Wer nennt mich Onkel Jesus?«
    »Die Freunde der Straßen. Nach einem uralten Mythos. Bestimmt kennen Sie ihn. Auf der Erde wirkte einmal ein Mann namens Jesus – unter uns ist ein Historiker, der behauptet, daß sein richtiger Name Joshua bar David gelautet habe, doch egal. Wegen revolutionärer Aktivitäten wurde Jesus hingerichtet. Aber jemand mit Namen Judas Pilate rettete ihn durch eine Hirntransplantation, und Jesus gründete die erste gerechte menschliche Gemeinschaft Sowjetrußland, die erblühte, bis die westlichen kapitalistischen Länder sie mit Bomben vernichteten ... Die Freunde der Straßen nennen Sie wegen einiger offensichtlicher Parallelen Onkel Jesus und hoffen, daß Sie die Führung in eine neue Gemeinschaft übernehmen, die frei von den widerlichen Beschränkungen ist, die Talbots Bekenntnisse uns auferlegen. Wollen Sie sie führen?«
    Mit erheblicher Anstrengung gelang es Idris, seine Heiterkeit zu verbergen. Es war verständlich, daß die Minervier die irdische Geschichte durcheinanderwürfelten. Doch ein Jesus-Lenin – das war ein harter Brocken.
    »Und wen soll ich führen?«
    »Die Jugend von Minerva.«
    »Die ganze Jugend?«
    Damaris warf ihr blondes Haar in den Nacken. »Alle die Jugendlichen von Minerva, die dieses fossilienhafte System nicht länger erdulden, sondern zerstören wollen«, antwortete sie. »Wenn Sie wieder frei sind, Kapitän, gehen Sie des Nachts auf die Straßen. Sie werden uns finden. Falls Sie ein wahrer Onkel Jesus sind, werden Sie uns helfen, uns bei der Gründung einer neuen Gesellschaft führen. Nun muß ich gehen ... Werden Sie uns führen?«
    »Ich werde mich mit den Freunden der

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