Der Eisplanet
Brandt-Hydro-Werken ausgestiegen sind, werden inzwischen gemeldet haben, daß Sie sich unter uns befinden«, sagte der junge Mann, der Idris den Kafra angeboten hatte. »Meine Mutter war dabei.«
»Wieso nennst du sie Androiden? Es schienen mir recht normale Leute zu sein.«
»Weil sie akzeptieren und tun, was sie akzeptieren und tun sollen. Sie haben einen kleinen Teil ihrer Menschlichkeit verloren.«
»Spielt es eine Rolle, wenn sie über mein Verhalten Bericht erstatten?«
Der junge Mann hob seine Schultern. »Nicht für uns. Vielleicht für dich ... Du, Idris Hamilton, wirst als eine Gefahr für das System betrachtet. Uns toleriert man als Narren. Trink.« Er reichte ihm die Flasche mit dem Kafra ein zweites Mal. »Ich heiße Egon. Du bist mein Bruder.«
»Vielen Dank, Bruder«, meinte Idris sarkastisch. »Wirst du noch mein Bruder sein, wenn man mich wieder einsperren will?«
»Ich bin nun dein Bruder und für immer«, sagte Egon. »Du bist unser Kapitän. Wir tun, was du uns sagst.«
Auf der Station Aragon City bestiegen weitere Freunde der Straßen den Wagen. Sie brachten mehr Kafra und mehr Musikinstrumente mit. Man begann zu musizieren und zu singen.
Damaris de Gaulle erschien bei der Station Chiang City. »Kapitän Hamilton«, sagte sie, »ich liebe dich. Du bist tatsächlich Onkel Jesus.«
Es wurde eine lange Nacht. Das Einschienenfahrzeug durchquerte mehrmals alle fünf Städte, bevor Idris schließlich genug Erkenntnisse gewonnen hatte und es an der Zeit fand, in Marys Apartment zurückzukehren. Bis die Versammlung sich auflöste, hatte er viel Kafra getrunken und mit vielen der jungen Leute gesprochen, an deren Namen und Gesichter er sich später undeutlich zu erinnern vermochte. Es stimmte, daß sie ihn für ihren Retter hielten, den Onkel Jesus. Sie wollten, daß er sie zur Zerstörung des stagnierenden minervischen Systems führte und sie bei der Errichtung einer expansiven Gesellschaft leitete. Doch trotz ihrer vielen Worte wurde ihm klar, daß sie nicht ernsthaft von ihm erwarteten, daß er sie zur Erde brachte, dem grünen Planeten, den sie besangen. Im Prinzip wollten sie nur mehr Freiheit, der gegenwärtigen engstirnigen minervischen Gesellschaft mehr Freiräume abzwingen.
Zum Aufbau einer straffen Selbstorganisation waren sie entschieden zu individualistisch und schlaff. Wie Kinder verlangte es sie nach einer Persönlichkeit, der sie trauen konnten, die sie führte. Aber würden sie den für Taten notwendigen Mut aufbringen? Würde es ihnen gelingen, zur rechten Zeit die erforderliche Kraft zu entfalten? Würden sie in der Lage sein, Schlüsselpositionen zu übernehmen – die Kraftstationen, die hydroponischen Werke, die Farmen – und vom Zentralrat die Verwirklichung ihrer Forderungen zu erzwingen? Idris dachte darüber nach und bezweifelte es sehr.
Idris wußte, daß er mit nur hundert terranischen Männern die fünf Städte völlig in seine Hand hätte bringen können. Aber er wußte auch, daß er nicht einmal mit tausend Freunden der Straßen die TT-Partei herausfordern, die erstarrte minervische Machtstruktur erschüttern und die minervische Gesellschaft auf einen expansiven Weg zu leiten vermochte. Wie es aussah, hatten Talbots Bekenntnisse zumindest eines erreicht – nämlich die Liebe zum Abenteuer, den Drang zu immer neuen Vorwärtsbewegungen erfolgreich aus den Hirnen der Menschen zu eliminieren.
Diese entkräfteten jungen Leute wünschten, daß ihr Onkel Jesus flugs maßgeschneiderte Wunder vollbringe. Sie wollten keinen Ärger, sie wünschten keine Konflikte. Sie wollten nur einen raschen, unblutigen Umsturz. Ein Wunder.
Während der Nacht bemerkte Idris, daß sich unter den Freunden der Straßen zwei oder drei der inzwischen erwachsenen Kinder befanden, die er an Bord der Dag Hammarskjöld transportiert hatte. Zuerst war er erfreut gewesen, sah er darin einen hoffnungsvollen Aspekt. Aber die Gespräche mit ihnen enttäuschten seine Erwartungen. Auch sie waren der subtilen minervischen Gleichschaltung erlegen. Sein Vorschlag, sich einer der fünf Städte zu bemächtigen und von dieser Basis aus Maßnahmen zur Übernahme der anderen vier Städte einzuleiten, traf auf entsetzte Ablehnung. Gewalt war nicht mehr aktuell. Nicht bloß das Töten, sondern jede Art von Gewalt. Auch sie wollten ihren Onkel Jesus übers Wasser laufen sehen.
Idris kehrte heim zu Mary Evans, entmutigt, müde, ein bißchen betrunken. Mary lag in tiefem Schlaf. Sanft weckte er sie und nahm
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