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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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durch einen Sauerstoffrausch zu erleichtern. Er konnte wenigstens warten, bis er des herrlichen Anblicks überdrüssig wurde, den die Planetenoberfläche bot.
    Er fragte sich, ob man ihn wohl von einer der Sichtkuppeln aus beobachtete. Wahrscheinlich. Obschon es unmöglich war, durch die Schleuse ins Innere des Planeten zurückzukehren, würden die Minervier gewiß argwöhnen, daß er nicht so lammfromm zu sterben bereit war, wie man es erwartete. Sie hielten ihn für gefährlich und unberechenbar. Sie hatten das Raubtier vertrieben, aber sie würden nicht ruhen, bis sie die Gewißheit seines Todes besaßen. Nun, er gedachte, ihnen nicht die Befriedigung zu verschaffen, ihn sterben zu sehen. Um völlig sicherzugehen, mußten sie seine Leiche bergen. Aber sogar in dieser Hinsicht würde er sie enttäuschen. Wenn er mit allem fertig war, konnte er jederzeit den Weg in einen Hydrogensee wählen. Das Gewicht des Anzugs und des Zubehörs mußte ihn bis auf den Grund sinken lassen, wo er für alle Ewigkeit konserviert liegen würde.
    Die Sauerstoffzufuhr hatte sich normalisiert, und er konnte wieder klar denken. Er erwog seine Möglichkeiten. Eine war, das Leben hier und jetzt zu beenden – zur unendlichen Erleichterung aller zuschauenden Minervier. Zweitens konnte er sich aus dem erleuchteten Gebiet entfernen und sich im nächsten Hydrogensee versenken. Andererseits ließ sich vielleicht etwas Aussichtsreiches tun. Aber was?
    Die Antwort kam ihm fast augenblicklich. Er konnte Talbot Field zu erreichen versuchen. Dort lagen Raketenfähren und die Amazonia. Das Raumschiff wurde nur selten eingesetzt, die Fähren unregelmäßig, und das anwesende Personal würde demnach zahlenmäßig gering sein. Höchstwahrscheinlich hatte man die Leute davon unterrichtet, daß sich eine gefährliche Person auf der Oberfläche befand. Die Chance war nicht groß, aber besser als die anderen Alternativen. Außerdem – die Gelegenheit, wieder einmal ein Raumschiff zu sehen, wollte er nutzen.
    Er schaltete den Helmscheinwerfer an und begann zu marschieren, fort aus dem Bereich der Atomlampen, aber nicht in nördliche Richtung. Sie brauchten seine Absicht nicht sofort zu durchschauen. Er mußte außerhalb ihrer Sichtweite kommen, bevor er sich auf den Weg zum Talbot Field machte. Ihm fiel ein, daß man womöglich einen Peilsender in den Anzug installiert hatte, aber das war ihm schließlich gleichgültig. Er besaß ein Ziel, und das genügte vorerst.
    Er kam nur langsam vorwärts. Der Boden war ziemlich zerklüftet, und manche Felskanten waren messerscharf. Eine ungeschickte Bewegung konnte ihn aller Probleme für immer entheben. Es kostete ihn zwei Stunden, das erleuchtete Areal zu verlassen.
    Der dunkle Himmel war klar. Einige flockige Hydrogenwolken trieben durch die Heliumatmosphäre, aber es sah nicht nach baldigem Schnee- und Regenfall aus. Idris fürchtete beides. Die Sichtscheibe enthielt Heizelemente, aber er hatte keine Ahnung, ob ihre Leistungsfähigkeit in einem Sturm aus Wasserstoffschnee noch ausreichte. In dieser Umgebung die Sicht zu verlieren, mußte verhängnisvoll sein.
    Bei diesem Gedanken lachte er laut auf. Er war ohnehin bereits ein toter Mann, dem man ein paar Stunden geborgt hatte.
    Nordwärts verstärkte sich der Lichtschein am Himmel. Idris hatte einige Hügel zu überwinden, aber irgendwie schaffte er es. Dann begann wider Erwarten Schnee zu fallen, doch seine Sichtscheibe blieb transparent.
    Endlich sah er Talbot Field unter sich liegen, etwa zwei Kilometer entfernt, und die atomare Lampe schien so hell wie jener Stern über Bethlehem.
     
    Er wanderte ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß man ihn im Licht der Lampe deutlich sehen konnte, über das Feld. Seine Füße hinterließen in der Schicht von Wasserstoffschnee, die sich abgelagert hatte, dunkle Tupfer, ebenfalls weithin sichtbar. Neben den kleinen Raketenfähren ragte die Amazonia turmhoch in den Himmel. Idris suchte nach einer unverschlossenen Schleuse oder Luke, doch vergeblich. Die Einstiegsrampe der Amazonia war ausgefahren, aber zur Betätigung des Schleusenmechanismus benötigte man offenbar eine Art von Identifikationsstreifen oder einen Schlüssel, der in einen Schlitz geschoben werden mußte.
    Nun, er hatte nicht damit gerechnet, daß sie ihm das Raumschiff schenken würden. Aber es freute ihn, das Raumschiff zu sehen, das eines Tages zur Erde starten würde. Denn daran glaubte er. Er glaubte nicht an Gott, aber an irgend etwas mußte er glauben.

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