Der Eisvogel - Roman
dem Chef der Kragen. Warum kommen Sie überhaupt her, wenn Sie bloß reden wollen? Wiggo blickte ihn erstaunt an, wog ein Paar schwarze Schuhe in der Hand, wies mit dem Finger auf den sichtlich nervösen Mann. Wissen Sie was? Sie gefallen mir. Endlich einmal jemand, der sich wehrt. Jetzt kaufe ich bei Ihnen. Endlich einmal jemand mit Charakter in dieser verdorbenen und ahnungslosen Branche. – Da haben Sie recht, erklärte der Chef. Und wissen Sie was? Ich verzichte auf Ihren Einkauf. Sie haben recht, ich habe Charakter. Also schmeiße ich Sie jetzt raus
– Oda stand am Büfett, legte sich saure Gurken und Schinkenröllchen auf den Teller, Ansgar unterhielt sich in der Nähe mit einigen grauhaarigen Bankiers aus Vaters Vorstandsetage; Oda mit hochgestecktem Haar und gewölbtem Leib, es wirdein Mädchen, Wiggo, denk dir nur, bald wirst du Onkel, hatte sie gesagt und gelacht und meine beiden Hände genommen, wie um mit mir zu tanzen
– ich weiß nicht, was ich tun würde, sagte Nele. Erinnerst du dich? Du hast mich einmal gefragt, was ich tun würde, wenn ich nach einem Schiffbruch auf einem Floß ausgesetzt wäre, das nur einen Menschen tragen kann, aber neben mir schwimmt meine Mutter, das hat mich beschäftigt seitdem, – So, sagte ich. – Und was würdest du eigentlich tun? – Ich würde nicht heucheln
– ich beobachtete Manuela, die hinreißend aussah in ihrem schwarzen Abendkleid zum roten Haar, ich wußte, daß sie meinen Blick spürte, aber sie schlug die Augen nieder, wich ihm aus. Mauritz stand abseits und beobachtete den Sehr Hohen Politiker, nickte Manuela zu, die sich langsam in Bewegung setzte, mit der fließenden Eleganz einer Laufstegkönigin, sie strich das Haar zurück und schürzte die Lippen, der Sehr Hohe Politiker war noch in die Betrachtung seines Weinglases versunken, hörte den Plaudereien der Umsitzenden zerstreut zu, dann sah ich, wie er den Kopf hob, wie seine Gorillas im Saal die Köpfe hoben, weil sie einen Schatten gesehen hatten, der sich anders bewegt hatte als die anderen Schatten auf dieser Party,
Für Dein Geschenk zu meinem Geburtstag danke ich Dir, muß es Dir aber doch zurückgeben. Von dem, was Du schreibst, verstehe ich so gut wie nichts, und das, was ich verstehe, erscheint mir belanglos und bedeutungslos. Es hat mir, ehrlich gesagt, eine Enttäuschung bereitet, denn das Mißverhältnis, das zwischen Deinen Worten, Ausmalungen, Vorstellungen und dem Ergebnis, Deiner Dissertation, besteht, scheint mir eklatant. Mir als Menschen hast Du wenig zu sagen. Deine Art, alles ins Abstrakte und Theoretische hinüberzuspielen, kommt hier allzu nachteilig zum Zug. Du könntest einwenden, daß ebendies einCharakteristikum der Philosophie ist – und doch sollte es mir erlaubt sein, nachzufragen, was Sinn – und, auch das sei mir anzumerken gestattet, Berechtigung – einer Philosophie wäre, die dem Menschen, auch und gerade dem des Alltags, nichts oder nur sehr wenig ist. Nach meiner Meinung, die ich Dir schon früher andeutete, nun aber noch einmal in aller Klarheit wiederholen muß, bist Du zu diesem Fach nicht geeignet, und alles weitere Verfolgen dieses Wegs kann nach meinem Verständnis nur dazu führen, daß Du Dein Leben verpfuschst. Vater
anders, wie wenn sich die Luft, die ein Mensch öffnet, wenn er geht, hinter ihm nicht schließt, sondern nachweht wie Vorhänge, die Sommerwind bewegt, ich sah, wie die Gabel des Sehr Hohen Politikers für einen Moment unschlüssig in der Luft verharrte, unsicher, ob sie vom Krabbencocktail oder von den gefüllten Piroggen nehmen sollte, Manuela plauderte jetzt mit dem Spirituosenfabrikanten Edgar, spielte mit dem linken Fuß leicht über das Parkett, als ob sie kleine Tanzschritte andeuten wollte, der Saum ihres Kleides verrutschte, Knie und Wade wurden sichtbar, noch immer schwebte die Gabel des Sehr Hohen Politikers über Krabbencocktail und Piroggen, während nur noch einer der Schwarzbebrillten in Manuelas Richtung sah, eher unbeteiligt, mit lässig schräggelegtem Kopf, vielleicht, um Nachrichten über das Zäpfchenmikrophon zu hören, von dem eine feine Schnur, nur dem aufmerksamen Beobachter sichtbar, in die Innentasche des schwarzen Maßanzugs lief, der Sehr Hohe Politiker legte die Gabel beiseite, führte das Weinglas an die Lippen, nahm einen Schluck, kaute den Wein, zog beim Schlucken die Wangen genießerisch nach innen. Als Manuela ihr Handy aus der Handtasche nahm, sich bei Edgar entschuldigte und abwandte, dabei leicht
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