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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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angenehmer, sie rauche nicht mehr soviel in den nächsten Tagen und habe sich kürzlich die neueste Ausgabe ihres Lehrbuchs verschafft
    – der Professor nickte mir freundlich zu: Siehst du, Sokrates, der junge Mann dort auf der Bank interessiert sich für unsere Arbeit; ich versuchte, jemanden zu entdecken, den er angesprochen haben könnte, aber ich sah nur Pflanzengewirr und Licht, das in staubigen Schollen durch das Glasdach sickerte, und einen Papagei, der über ihm in einem Bananenbaum schaukelte und krächzende Laute von sich gab; übrigens brauchen Sie vor Tasso keine Angst zu haben, er ist nur ein wenig ungebärdig
    – du untertreibst, um Wiggo nicht zu erschrecken, Hans, sagte der junge Mann, der sich mir als Mauritz Kaltmeister vorgestellt hatte; er hatte in der Diele, die in ein großes Wohnzimmer überging, auf uns gewartet und mir mit beinernem Griff die Hand gedrückt, – Tasso ist ein Wachhund, der beißt durchaus auch zu, glücklicherweise gehorcht er gut; ich fand es merkwürdig, daß Mauritz seinen Onkel beim Vornamen nannte, er schien nichts dabei zu finden, wie auch der alte Kaltmeister nicht, der sich rasch umgezogen und sich in der Diele, nicht ohne mit ausgesuchter Höflichkeit zu fragen, eine leichte Zigarre angezündet hatte, wobei er mich durch seine Brille scharf, aber mit wohlwollendem Gesichtsausdruck musterte, – Im übrigen, sagte Mauritz lässig, da wir beim Zubeißen sind, der Imbiß wäre fertig
    – Sie arbeiten als Gehilfe im Mikrobiologischen Institut, habe ich Hans da richtig verstanden?
    – die feingesägten Blätter hoch im Licht, Lichtsud, der durch die Scheiben drang und sich wie Farn verzweigte, merkwürdig auch, daß Mauritz mich siezte und zugleich beim Vornamen nannte, erst am Abend würde er mir das Du anbieten; die Blattpaddel des Bananenbaums mit seiner schweren, elefantenrüsselhaften Blüte, ein violetter Zapfen, der aus dem Grün herabhing, die grünlichgelben Früchte in einer Skala vonSchamanenkronen nach oben gebogen, Kaltmeister klappte die Tafel zusammen, deponierte Gummistiefel und Hut in einem Spind, drohte Sokrates, der als bunter Blitz durch das Gewächshaus turnte, mit dem Finger, lief schweigend neben mir, hier und dort eine Blume oder die Blüte eines Strauchs prüfend, über den Gartenweg zum Haus, ein schlanker, elastisch wirkender älterer Herr mit straff gescheiteltem weißem Haar, seine Bewegungen waren federnd und bestimmt, manchmal ausfahrend nervös, wie bei Menschen, die unter innerer Spannung stehen oder zuviel Kaffee getrunken haben; er hielt mir die Tür auf und bat mich mit einer zeremoniösen Bewegung seiner Linken ins Haus, wo Tasso schon wartete, hechelnd zwischen Kaltmeister und mir Blicke wechselnd, als prüfte er, in welchem Verhältnis ich zum Hausherrn stand; Kaltmeister hob die Brauen, streckte langsam den Arm aus, wies auf einen Korb, der in einem Winkel der Diele stand, nickte, Tasso begriff, klappte die Kiefer zu, legte die Ohren an und trollte sich resigniert
    – Mauritz’ Frage hing eine Weile im Zimmer, verflüchtigte sich allmählich wie die Kringel, die von der Zigarre seines Onkels stiegen, ich schämte mich, wollte antworten, aber konnte es nicht, setzte das dampfende Teeglas ab, beobachtete die roten Wärmespindeln in der wunderbar aromatischen Flüssigkeit: Ja, aber ich habe ursprünglich Philosophie studiert, war Assistent an der Universität, es gab einen Zwischenfall, dann bin ich arbeitslos geworden und hatte nach einiger Zeit keine Wahl mehr
    – alte Häuser haben eine ihnen eigentümliche Art von Stille, bei meinen Großeltern roch es nach Most und ausgedörrtem Zaunholz, im Altweibersommer nach eingelegtem Obst und manchmal, wenn die Schafhirten ihre Herden über den nahe gelegenen, von harzenden Apfelbäumen gesäumten Wegtrieben, nach Sauerampfer; in Kaltmeisters Flur hing der charakteristische Geruch alter Bücher, den ich wie kaum einen anderen gern habe, den würzigen Feigengeruch guten Pfeifentabaks ausgenommen – der Duft ehrwürdiger Bibliotheken: dieses friedfertige, wohlwollende, mich immer tief beruhigende Arom jahre- und jahrzehntelang schlummernden Papiers, es herrschte auch in diesem Haus, überlagerte den kalten Zigarrenrauch, den Geruch des Hundekorbs und einer Schuhbank im Windfang, mit Reihen von Tapir -Lederfett und englischer Dasco -Hartwachspaste , die ich von London kannte, auch meine Familie hatte sie benutzt; Oda im taubengrauen Kostüm, die einen gleichfarbigen Schuh hebt und

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