Der Eisvogel - Roman

eine Mädchenzunge, prall und fleischrot, die eine Eiskugel zu einem Kegel schleckte, ein an eine Straßenbahn- Abfahrtszeittafel genageltes aufgeschlagenes Notizbuch mit durchgestrichenen Frauennamen und der Skizze einer Wurstsemmel; unter einer einsam stehenden Peitschenlaterne ein Hundehaufen, jemand hatte ein Stäbchen mit der Deutschlandfahne hineingesteckt
    – Geld ist einer der Hebel, über den man diesen Zwang einschalten kann, ein anderer ist die Furcht, die Angst, derGeschlechtstrieb, einer ist, vielleicht, er verstummte, fuhr mit sehr leiser Stimme fort, ich konnte nur ahnen, was er sagte, Liebe – daß man geliebt werden will, ist auch ein starker Zwang, etwas zu tun, zu handeln; jedenfalls freiwillig tun die Menschen nichts, freiwillig rührt sich keiner auch nur einen Millimeter von seinem Platz, deshalb müssen wir sie zwingen, es zu tun, – Ach, du willst sie zwingen ... Zu ihrem Besten? höhnte ich, willst einen Krieg vom Zaun brechen, zu ihrem Besten? Sie töten, ihrer Ruhe berauben, ihnen Angst und Schrecken einjagen – zu ihrem Besten? Willst ihnen nehmen, was sie haben und was sie lieben für etwas, von dem weder du noch irgendeiner deiner Kumpane wissen kann, ob es taugt? Ob es das zu halten vermag, was du versprichst? Bist du dir denn sicher, ob der Tausch, den du haben willst, ein vorteilhafter sein wird? Und überhaupt, das gab es doch schon mal, so haben die Kommunisten auch geredet, und was ist dabei herausgekommen? Glaubst du nicht, daß die Menschen die Nase voll haben von solchen Experimenten?
    +++ AOL Time Warner 116,34 +++ 12 Technologies 53,21 +++ Yahoo 56,40 +++ Du, ich hab ’nen Freund. – Ja, sicher. Klar. Deshalb können wir doch trotzdem. – Nee, du. Ficken is nich. CNN: It’s the news. Soldaten und Nomaden. Pu:pushLetItGroove. EU legt Norm für Trillerpfeifenkugeln fest. Diesen Weg. Auf den Höhn. Bin ich oft gegangen. Vöglein sangen. Lieder. Excuses for travellers. Suddenly everything fell out of place Suddenly everything Suddenly everything ... everything ...
    – verdammtes Gedudel im Radio, gibt es denn keinen vernünftigen Sender mehr, nur noch dieses Ohren-Junkfood, Zeit, manchmal blieb ich vor einem Uhrengeschäft stehen und sah, wie sie verrann, sah die Zeiger auf den Zifferblättern, wie sie Minuten zu Sekunden kleinhackten, tack, tack, unaufhörlich, monoton und unbegreiflich, eine nach der anderenerschien und verschwand, jede ein Augenblick, der einmalig war und unwiederholbar, und wenn ich nach einer Weile den Kopf wandte, den Vorübereilenden zu und dem Geräusch ihrer Schritte, hatte ich das Gefühl, daß es eine Sekunde geben konnte, vielleicht nicht mehr allzufern, in der alle diese Menschen plötzlich erstarren und, zu Glas verwandelt, so daß die Maschinerien ihrer Körper sichtbar wurden, leblose Zeugen einer noch nie vernommenen Stille werden würden
    – sie können sie von mir aus gern voll haben, es ging ja eine Zeitlang aufwärts nach der Wende; aber jetzt geht es nicht mehr gut, die blühenden Landschaften sind ausgeblieben, Wiggo, die Zeiten ändern sich ... Wach auf, es gibt keine Windstille mehr, die Winde haben sich schon erhoben, bald wird es Sturm geben, Wiggo, die Dämonen sind wieder erwacht, die lange schliefen, gefroren im Eis des Kalten Krieges, sie sind erwacht und kommen zurück, das ist es, was die Leute spüren, deshalb klammern sie sich an das, was sie haben, was ihnen vertraut und sicher ist; aber ist es sicher? – Ich, – Komm zu uns, Wiggo, wir brauchen Leute wie dich, klug und unvoreingenommen, scheiß doch auf die anderen, die breite Masse, sei ehrlich: Was gehen dich die Proleten an? Glaubst du, einer von denen kümmert sich um dich? Glaubst du, ein Maurer interessiert sich für Philosophie? Ein Fliesenleger? Spül sie endlich die Toilette hinunter, die Illusionen vom aufgeklärten Arbeiter und den edlen sogenannten einfachen Menschen; die Proleten wollen Arbeit, Autos, ’nen gefüllten Kühlschrank und ab und zu ’ne flotte Mutti vögeln. Und jedes Jahr nach Mallorca in den Urlaub fahren. Schau sie dir doch an, und laß mal die Romantik beiseite: Ist denen wichtig, was dir wichtig ist? Hören die Mozart und Bach, oder hören sie die Charts rauf und runter? Lesen die Gedichte, Homer und Dante, oder die Scheiße in den Bonbon-Covers, die ihnen im Frühjahr und imHerbst in die Fresse gestopft wird? Wenn sie überhaupt lesen. Wofür interessieren die sich, für Barockarchitektur und die Feinheiten scholastischer