Der Eisvogel - Roman
anderen gesogenes und von den Anstrengungen, die das kostete, schweigende Gelb wirkte noch immer fremd im Licht, unzugehörig den Bewegungen im Raum und den Gesprächen, die sich jetzt aus Anekdoten aus Finanz-, das war Odas, und Medizin-, das war Dorotheas Welt, speisten. Ich wandte mich um, blickte sie herausfordernd an, das Gelb der Früchte schien zu brennen. Vielleicht war es die Intensität, mit der Farbe sich ballen, Wärme sich unter einer Schicht Kühle stauen und sie hier und dort durchreiben konnte wie Atem den Kondensationsbeschlag eines Fensters, die sie nicht reagieren ließ. Der Duft wehte zu mir, als die Frau ihre Hand nach denQuitten ausstreckte, die mir unberührbar erschienen im Manganschwarz der flachen japanischen Schale
– ich hatte geschwiegen zu Mauritz’ Suada, ihn nicht unterbrochen, er hatte sich in einen Rausch gesteigert und schien nicht darauf zu achten, was ich von dem hielt, das er da von sich gab, oder was andere davon halten könnten. Ich bemerkte, daß Jost uns beobachtete, vielleicht sogar einzelnes unserer Unterredung gehört hatte, denn manchmal hatte Mauritz die Stimme erhoben, und Jost hielt sich am Büfett auf, das nur drei oder vier Meter von uns entfernt war. Außer Jost schien uns niemand zu beachten, und auch er wandte sich hin und wieder ab, um mit jemandem zu sprechen; wir standen in der Ecke neben dem Flügel; jetzt nahm Mauritz wieder das Wort: Wir müssen handeln, Wiggo, etwas tun, verändern kann man nicht, indem man redet und redet und redet, er wies über die Schulter in Dorotheas Wohnzimmer, wieder verächtlich, wo sich die meisten Gäste aufhielten und ebendies taten, was wir auch taten, in diesem Moment: reden
– die Stimmen mischen sich, die Orte. Dorotheas Party in Berlin, auf die ich Mauritz mitgebracht hatte; die Feier in London, wo ich der Füchsin zum ersten Mal begegnete. So nannte ich die Frau, die jetzt meinen Blick bemerkte, mit der Bewegung innehielt; sie mochte gespürt haben, daß die Früchte und ihr Arrangement auf einer Stele am Rand eines sonst ziemlich kahlen Zimmers von etwas sprachen, das für den jungen Mann vor ihr wichtig sein mochte; in diesem Augenblick besonders. Sie schien zu überlegen; vielleicht fiel ihr ein, daß ich es war, der Geburtstag hatte, gemeinsam mit meiner Zwillingsschwester Dorothea. Mein Blick mußte sich verfinstert haben, denn sie zog die Hand zurück. Sie sind schön, sagte sie leise, sah aber mich an dabei und nicht die Früchte, richtete sich auf, verschränkte die Hände und ließ sie dann mitentschuldigender Geste sinken, als wäre sie bei etwas Ungehörigem ertappt worden. Ja, antwortete ich, wandte mich abrupt ab, starrte aus dem Fenster, und bitte berühren Sie sie nicht. – Es freut mich, daß Sie doch gekommen sind; ich schwieg, spürte, daß sie unsicher war, nach einem Thema suchte, etwas Unbefangenem. Ich habe gehört, daß Sie sich sehr für Literatur interessieren. Ich bin Literaturagentin. Oda und ich, wir sind befreundet. Sie nannte den Namen eines berühmten amerikanischen Autors. Haben Sie sein neuestes Buch gelesen? – Nein, habe ich nicht, – Oh, sie neigte den Oberkörper etwas zurück und blinzelte mich an, dann haben Sie wohl den Film gesehen? Da gibt es diese tolle Szene, – Ich habe den Film nicht gesehen, unterbrach ich sie schroff, die meisten Amerikaner, die ich kenne, schreiben ordentliche, völlig überflüssige Bücher, Fertigware von der Stange, Bücher, von denen es leider wimmelt und die ich, verzeihen Sie den Ausdruck, zum Kotzen finde. Sie sah mich verdattert an, wurde zuerst rot, dann blaß, zog die Brauen zusammen, ich drehte mich auf dem Absatz um und ging auf den Balkon. Nach einer Weile trat sie neben mich. Und welche Mannschaft unterstützen Sie? Ihr Deutsch war fließend, hatte eine österreichische Färbung, – Was für eine Mannschaft meinen Sie? – Na, Fußball, – Überhaupt keine, ich interessiere mich nicht für Fußball
– man muß etwas tun, sagte Mauritz, diese Gesellschaft ist krank vom Geschwätz, das ist ein Kalkmassiv, wir müssen es aufsprengen, es zerstören, Wiggo, komm zu uns, mach bei uns mit, sagte er, jetzt in einem fast beschwörenden Ton, er hatte sich wieder mir zugewandt und war näher gekommen, mich erstaunte die Beherrschtheit seiner Züge, nach dem zu urteilen, was er mir in den vergangenen fünf bis zehn Minuten anvertraut hatte, mußte es kochen in ihm, komm zu uns, wir können Leute wie dich brauchen, – Ach, sagte ich; aber bin
Weitere Kostenlose Bücher