Der Eisvogel - Roman
ichnicht einer von denen, ein Philosoph, wie du sagst? – Eitelkeit und verletzter Stolz gehören auch zu den Eigenschaften, die alles zerstören und zur Verkrustung kommen lassen, mach mit bei uns, – Wer ist: uns? fragte ich; Mauritz’ Augen glühten, dann zog er mich nach draußen
– sie sah mich wieder an, diesmal aber nicht wütend, sondern eher, wie ein Wissenschaftler ein seltenes Insekt betrachtet, interessiert; außerdem, wie mir schien, leicht belustigt. – Warum finden Sie das komisch? Ich mag Fußball nicht, und ich lese keine Unterhaltungsromane. Ich will nicht unterhalten, sondern herausgefordert werden; ich will kämpfen gegen ein Buch, und es muß gut kämpfen, hart, präzise, intelligent. Ich will von der Welt nicht abgelenkt werden, ich will ihr ins Auge sehen, sie erkennen und ... sie besiegen. Verstehen Sie das? Sie starrte mich an, ich starrte zurück, sie schüttelte den Kopf, trank einen Schluck aus dem Glas, das sie in der Hand hielt, lachte plötzlich. Oda hat mir ja schon einiges erzählt von dir, aber ... Entweder bist du der größte Idiot, der mir seit langem über den Weg gelaufen ist, oder –, – Ja? ich trat drohend auf sie zu, sie wich nicht zurück, – Oder der ehrlichste, – Aber ein Idiot in beiden Fällen, – Wir sollten uns unterhalten, findest du nicht? Lädst du mich zu einem Drink ein? – Nein! Sie schwieg, rollte die Lippen nach innen und blickte auf ihr Glas. Hör zu. Stefan, ich meine, dein Vater, und ich ... – Lassen Sie mich in Ruhe! Sie wandte den Kopf und sah auf London, das im Abendverkehr vibrierte
– ein mit weißer Farbe gemaltes W, hast du das schon mal gesehen? – Nein; aber ich habe in der Zeitung davon gelesen, ist das, – Ja, das ist: uns, – Ihr seid, das ist, das ist eine terroristische Organisation, Mauritz, das ist faschistisch, – Quatsch, das hat damit überhaupt nichts zu tun, das sind doch bloße Worthülsen, erfunden von Journalisten, die das Neuartige unsererArbeit nicht erkennen und uns nur durch die Brille ihrer Vorurteile sehen, – Arbeit? Arbeit nennst du das, ihr, – Ja? Wir zerstören, da hast du recht, wenn du das sagen wolltest; aber wir zerstören um des Aufbaus willen, – Gott, Mauritz, das haben schon alle diese, – Verbrecher? – Ja, diese Größenwahnsinnigen behauptet, alle diese größten Führer aller Zeiten, Väter der Völker und Leuchten der Menschheit
– die Themse leuchtete kupfern, Boote und Schiffe kerbten Linien in die münzenblanke, gegen die Sonne zu vom Wind gebürstete Haut des Flusses, – Deine Mutter ... – Lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel, zischte ich und umklammerte das Balkongeländer, drückte so fest zu, daß die Knöchel weiß wurden, – Es ist nicht so, daß ich dich nicht verstehen kann, aber ... Schade, ich hätte dich gern kennengelernt. Sie ging hinein, ich folgte nach einigen Minuten, drinnen spielte Musik von einem Plattenspieler, alte ostdeutsche Jazzplatten, die einer der Gäste auf einem Flohmarkt in Soho entdeckt und mitgebracht hatte; Quitten, ich wechselte kein Wort mit Vater auf dieser Feier, manchmal spürte ich seinen Blick, fragend, aufmerksam, von Ironie beraucht, einmal blickte ich zurück, ostentativ, aber Vater, schlank, elegant gekleidet wie immer, gutaussehend für einen Mann in seinem Alter, nur das Haar war ein wenig grauer geworden, hatte schon die Augen abgewendet und sprach nun mit einigen von Odas Kollegen; die Frau war in seiner Nähe, ging an ihm vorüber zum Büfett, dabei streifte sein Finger den ihren, er ließ die Hand wie unabsichtlich sinken, eine kaum merkliche Geste, sie schauten sich dabei nicht an, er unterbrach das Gespräch nicht, lachte und warf dabei den Kopf ein wenig zurück. Was soll ich noch hier, dachte ich, die Gäste waren meiner Schwestern wegen gekommen, ich kannte niemanden, beobachtete Dorothea und Oda, sie erschienen mir unverändert, rauchte eine Zigarette,kümmerte mich nicht darum, ob das jemandem gefiel oder nicht. Die Füchsin hatte mich nicht mehr beachtet oder war mir ausgewichen, ich wußte nicht einmal ihren Namen. Die Gäste tanzten. Bevor ich ging, war Oda aufgestanden und hatte gesagt, daß sie heiraten würde
– es muß sich etwas ändern, Wiggo, wenn du das, was wir vorhaben, so verwerflich findest, sage mir, welchen Weg du siehst, es gibt keinen anderen Weg für den, der nachdenkt, und das faschistisch, mit dem du unsere Absichten bezeichnest – wir wollen keine Juden umbringen, – Weißt du überhaupt, was
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