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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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glimmendes Getreide und blutrote Mohnblumen, Ölbäume mit großen Kronen, die scharflinig umrissene, den Blick, hatte ich das Gefühl, hart zurückprellende Landschaft, das Sägegeräusch der Zikaden im Mittagsglast, das Baby fing an zu wimmern, das Blutrot der Mohnblumen, sie biß ins Kissen und schrie, klatschnaß unten, um Atem ringend durch die flatternden Nasenflügel, Glück, ja, Glück, als es mich überwältigte und ich nichts mehr wußte außer diesem Gefühl, in ihr zu sein, geschluckt von einem Ölmund ohnmächtig peinigend lächerlich, und dabei die Linie ihrer von Milch, der Milch meines Halbbruders, geschwollenen Brüste mit meiner Zungenspitze hinaufzustreichen, die zu roten Zapfen aufgerichteten, süß schmeckenden Warzen in den Mund zu nehmen, die sie vor mir nicht schamhaft versteckt hatte, als sie meinen Halbbruder stillte, sondern zwischen Zeige- und Mittelfinger legte, dabei ihr Haar zurückwerfend, du Miststück, wie ich sie begehrte, Glück, wie damals im Sommer, im abgelegenen Gästezimmer, die rauschende Dusche, die dein Seufzen, ich biß mir in die Hand, unsere Kapitulation übertönte, für die ich mich nachher abgrundtief haßte, dich haßte, ich wollte Schluß machen mit mir, wollte das Ding, das mich gedemütigt, zum Idioten gemacht, mit sekundenlanger Glückseligkeit beschenkt hatte, abhacken – Mein lieber Sohn, es dreht sich alles um Geld, kapier das endlich, und kapier endlich auch, daß ich dein Bestes will; ich fuhr per Schiff nach Griechenland, wanderte am Golfvon Korinth, die Tage wurden durchsichtig und verschmolzen miteinander, Zeit berührte Zeit und verlor sich, ich schwamm und teilte das Wasser nicht, immer, auch wenn es verschwunden war, die Nähe des Meeres, die Ägäis windsandblau, eingeschliffen in die Hügel und Pfade, wie unberührt der Anfang war, ich wunderte mich, war verjüngt, erfüllt von Heiterkeit, ich staunte, daß es kein Traum war, und wußte doch, daß ich nicht würde bleiben können, unter mir die Pleistosschlucht, im Osten die kastalische Quelle und im Norden das Heiligtum des Apollon, Musagetes, Licht- und Wolfsgott, die Bienen am Helikon, Hellas
    – ich sah ihnen zu, sie bemerkten mich nicht, ich wagte kaum zu atmen, denn Menschen spüren oft, daß jemand in ihrer Nähe ist, für den das, was sie sagen werden, nicht bestimmt ist, sie haben eine Witterung, und ich sah, daß Patrick wußte, daß sie hinter ihm stand, er drehte sich aber nicht um. Vielleicht war es ein von Luftströmungen herangetragener Hauch ihres Parfums gewesen, vielleicht eine Änderung im Magnetismus der Luft. Jetzt blickte sie wie er auf den See, die ruhig bewegten Lichter in der Ferne, Stimmen wehten heran, Gelächter. Die Nacht war warm für die Jahreszeit. Er sagte, seine Stimme klang ruhig: Wiggo ist ein komischer Kerl, nicht wahr? Patrick drehte sich noch immer nicht um, senkte aber den Kopf, wie um ihr zu verstehen zu geben, daß er sie bemerkt habe und seine Worte nicht für sich in die Dunkelheit sprach, – Sie haben ein feines Ohr, ich war eigentlich sehr leise, und das Gras ist lang und weich ... Wie haben Sie mich hören können? – Ich habe Sie nicht gehört, – Und woher wußten Sie ..., sie zögerte, ich kauerte in meinem Versteck und hätte mir beim Klang ihrer Stimme am liebsten die Ohren zugehalten, Rascheln von Stoff, Knistern, sie mußte den Kopf geschüttelt haben, vielleicht ungläubig oder überrascht. – Daß Sie es sind? Patrick lächelte.Wenn ich Ihnen sagen würde, daß es Ihr Parfum ist, würden Sie womöglich die Marke wechseln. Nicht nötig, es ist sehr gut. Vielleicht glauben Sie mir nicht. Weil der Mensch besser hört als riecht, sagt jedenfalls mein Freund, der Arzt ist. Sie stand nun neben ihm, legte den Kopf schräg, lächelte kurz. Ich war bis zur Matura bei den Pfadfindern. Ich war nicht schlecht im Anschleichen. Es fuchst mich ein bißchen, daß Sie mich ertappt haben, glauben Sie das? Wollen wir nicht übrigens du zueinander sagen? Er nickte. Sie mochte es nicht gesehen haben; sie schwieg, aber nicht verstimmt über eine vermutete Unhöflichkeit, wie ich spürte, sondern nachdenklich. Sie sagte: Früher habe ich Wiggo für einen Idioten gehalten. Ich weiß nicht, was er ist. Merkwürdig, mindestens. Keiner hat ihm was getan, warum benimmt er sich so? Sie sah auf ihre Hand. Es ist nicht meinetwegen, falls du das denkst. Er muß schon so gewesen sein, lange bevor Stefan und ich eine Beziehung hatten. Genau weiß ich das nicht, und es

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