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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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Teakholz-Lenkrad der Mercedeslimousine liegen, spüre den Duft ihres südländische Assoziationen weckenden Parfums: Lady Knize, höre ich ihre Stimme, später, viel später, Rose, Jasmin, Tuberose, ein kräftiger, dochunter der Schwelle zur Entschiedenheit liegender Duft, wie die Farbe der Quitten im Frühherbst, wenn das Licht an den Dingen nicht mehr abprallt, sondern sie mit durchsichtigen Fingern aus ihren Verankerungen löst, Manuelas dunkelgraue Augen, deren Blick mich manchmal im Rückspiegel streifte, ihre Hand in meiner bei der Begrüßung, kühl und trocken und sehr leicht: Wollen wir uns nicht duzen? Mauritz hat mir schon viel von dir erzählt; sie hatte die Handschuhe an den Fingerspitzen gezupft beim Ausziehen, eine spielerische, elegante Geste, dann die Handschuhe in der tropfenförmigen Tasche verstaut, zum Fahren aber wieder herausgenommen
    – Sie sind ... Du bist seine ..., – Schwester, sagte Mauritz. Hör auf zu stottern.
    – wir verließen München, ich erinnere mich an die hellgrün dahinschießende Isar, dann die Landschaft in den Übergängen von Ocker zu Abendrot, gesäumt von drachenrückigen Bergen mit Schnee auf den Flanken, Mauritz hatte das Fenster heruntergekurbelt und den Ellbogen darauf gelegt, pfiff leise zu den ruhigen, farbenreichen Klängen einer afrikanischen Weltmusik-Gruppe, die Manuela aus der CD-Box hinter dem Schaltknüppel ausgesucht hatte, wir unterhielten uns kaum, die wenigen Versuche, die ich unternahm, das Schweigen zu brechen und irgendetwas Belangloses zu sagen, das als Einladung zu einem Gespräch verstanden werden konnte, endeten in Herzklopfen und Scham vor der Offensichtlichkeit eines solchen Versuchs, um Kommunikation zu bitten, ihre dunkelgrauen Augen würden mich fixieren und mir meine Plumpheit verweisen. Mauritz hatte sich eine schmale schwarze Sonnenbrille aufgesetzt und starrte nach draußen. Für Geschwister redeten sie recht wenig miteinander, fand ich, aber vielleicht hatten sie das Allgemeine schon eher besprochen, und jetzt wäre die Zeit der intimeren Worte gewesen, die für das Ohr einesDritten nicht bestimmt sind, die Zeit der wie unabsichtlichen Berührungen und Zärtlichkeiten. Ich fühlte mich müde, der Motor summte gleichmäßig unter den Weltmusikklängen, die in mir die Assoziation von Karawanen, lederhäutigen Tuareg, friedlich wiederkäuenden Kamelen und sanft gerundeten Wüstendünen weckten. Schlaf ruhig ein bißchen, sagte Manuela plötzlich, ich mußte sie ziemlich erstaunt angesehen haben, denn sie lächelte kurz in den Rückspiegel, mit ironisch geweiteten Nasenlöchern. Ja, sagte sie mit ihrer dunkel timbrierten, leicht singenden Stimme, wir sind noch ein Weilchen unterwegs
    – das Knirschen des Kieses, das Flügeltor mit der Überwachungskamera auf einem Pfeiler schloß sich langsam hinter uns, wir bogen auf eine Allee, die von Orangenbäumen und kegelförmig geschnittenen Hecken gesäumt war, auf einem Teich in dem parkähnlichen Garten glitten Schwäne in einem zitternden Passepartout von Stille, – Wünschen Sie Tee, sagte die Freifrau, die uns auf der weitgeschwungenen cremeweißen Treppe vor dem schloßartigen Anwesen empfangen hatte, das Königin-Beatrix-Gesicht in einem Ausdruck strenger Güte, sie stand allein in der Mitte der Treppe und erwartete uns, gekleidet in ein apricotfarbenes Kostüm, die Arme leicht angewinkelt, die Hände in ebenso bestimmter wie eleganter und abwartender Haltung flach überkreuz aufeinandergelegt, nicht zeltartig wie zum Beten, die apricotfarbenen Schuhe eng und genau parallel gestellt, ohne daß sich die Knöchel berührten, sehr aufrecht stand sie da, der Kopf etwas schräggeneigt, die mit einem dezenten Apricotschimmer bedeckten Lippen in Bereitschaft eines Lächelns gespannt; ich sagte: Danke, gern, und Königin Beatrix, die Mauritz langsam, etwa wie ein Schwan seinen Hals reckt, die Hand zum Handkuß gereicht hatte – Mauritz beugte sich hinab und deutete den Kuß an, es wirkte nichtlächerlich –, gab der Aufwärterin, einem türkischen Mädchen in schwarzem Serviererinnenkleid mit gestärktem weißem Häubchen, ein Zeichen, die Abendgesellschaft, langsam einrollende, gewichtig in gezügelter Kraft anschleichende Coupés und Limousinen, Haifische, die mit blitzenden Felgenflossen über den Kies knirschten, an Orangenbäumen und Schwänen, starrenden Dornenklingen von Sisalagaven und der knappen Verbeugung eines Dieners vorbei in eine der Tiefgaragen glitten, junge Leute, nach denen

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