Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
Vom Netzwerk:
interessiert mich auch nicht sehr, um ehrlich zu sein. Wissen Sie, sie lächelte wieder kurz. Du, entschuldige. Blöd. Gerade biete ich’s an und dann ... Tja. Passiert, – Ich kann ihn verstehen, bis zu einem gewissen Grad. Dorothea hat mir einiges über ihn erzählt. Es muß auch schon etwas in Frankreich gegeben haben, worunter er sehr gelitten hat. Patrick brach ab, vielleicht überlegte er, ob er taktlos gewesen war. Ich konnte jetzt ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Sie las eine der umherliegenden Quitten auf und warf sie in den See, mit der etwas ungeschickten Ausholbewegung vieler Frauen. Der Aufschlag war voll und glucksend. Lustiges Geräusch. Blonk. Komisch eigentlich, warum lacht man über Geräusche. Sie schüttelte den Kopf und beugte sich dabei etwas zurück, so daß ihr Haar frei den Rücken hinabfiel. Ich meine, er jammert herum und spielt den Weltverbesserer; aber er tut nichts. Das meine ich mit Idiot. Natürlich ist er nicht blöd.Aber er benimmt sich wie einer dieser Pubertierenden, die so furchtbar an der Welt und am Schicksal leiden. Dann gießen sie ihr Leid in Verse und beglücken die Lektoren in den Verlagen damit. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Du. Zu blöd, schon wieder. – Nimmt er dich ernst? Patricks Stimme klang rauh. Sie ging langsam nach vorn, an die Brüstung, die das Grundstück vom Wasser trennte. Er war zu weit gegangen. – Du läßt dir so leicht nichts gefallen, hm? Sie drehte sich um, musterte ihn mit einer Spur Koketterie. Ihr Gesicht war mir zugekehrt, ich konnte es gut erkennen. Fand ich nicht schlecht, dein Kontra auf Ansgar vorhin. Darf ich fragen, was los war in Stefans Zimmer? Patrick sagte nichts. Entschuldige ihn. Er hat viel um die Ohren. Außerdem provoziert er gern. Er will wissen, woran er mit jemandem ist, und um das schnell herauszukriegen, greift er zu Mitteln, die nicht nach jedermanns Geschmack sind. Er meint das nicht so, falls, – Schon gut. Patricks Gesicht verhärtete sich. Er sagte: Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß das Leben mit ihm langweilig ist. – Liebst du sie? fragte sie ziemlich unvermittelt. Patrick starrte auf den See, der am gegenüberliegenden Ufer nun dunkel lag. Wir halten nicht immer Händchen, falls Sie darauf anspielen. Die Bäume auf den Werdern bildeten schwarze Kämme, vor denen die Lichter schwankten. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht lange genug, als daß ich Ihnen auf diese Frage antworten müßte. Er steckte die Hände in die Taschen und wandte sich zum Gehen. Aber wenn es Sie wirklich interessiert: kann schon sein. Lassen Sie mir jetzt bitte das Boot bereitmachen.
    R uhig ist es nie im Krankenhaus, es ist still manchmal, so wie jetzt, aber es ist eine erwartungsvolle, nervöse Stille, Filmregisseure wissen sie zu inszenieren: Zeig eine Fliege, die ihreBeine zwirbelt in einem kahlen Raum, in dem zwei Menschen einen dritten verhören; zeig den ins Riesige vergrößerten Wassertropfen, der vor einer unscharf gehaltenen, schmauchenden Lokomotive quälend langsam zum Fall reift, während sich der Sheriff im Haus den Hut aufsetzt, die Trommeln seiner Revolver noch einmal überprüft, sie rädeln und einrasten läßt und, bevor er hinaus auf den im Mittagsglast schwelenden Platz tritt, ein letztes Mal in den Spiegel schaut; jeden Moment kann etwas geschehen, eine Patientenklingel schrillen oder das Telefon, die Stille hier ist eine wartende, die Schwestern haben ihre Nachtrunde beendet und werden vorn in der Stationskanzel sitzen und Kurven schreiben oder im Internet surfen, oder in der Küche rauchen, den neuesten Krankenhaus-Beziehungsklatsch austauschen, sich über die Fähigkeiten diverser Ärzte mit der ihnen eigenen Scharfsicht und Nüchternheit verbreiten, Kreuzworträtsel lösen
    – es ist spät in der Nacht, und ich kann wieder einmal nicht schlafen, die Schmerzen kommen zurück und das Fieber in seinen Staubgold-Schüben, ich habe die Schlaftablette genommen, aber das Zeug taugt nichts, vielleicht eine Placebo-Arznei, die heute an die gerade, morgen an die ungerade numerierten Zimmer ausgeteilt wird, damit die Klinik Geld spart, jeder weiß, daß unser Gesundheitswesen einem billigen Kassentod entgegensiecht
    – Bewegungen, aus denen sich langsam etwas klart, trudelnd und sinkend wie das Restzucker-Plankton in umgerührtem Tee, die Bilder wirbeln in mir, Herr Verteidiger, ich sehe Manuelas Hände in pastellgrünen Handschuhen, es ist die Farbe ihres Kostüms, auf dem

Weitere Kostenlose Bücher