Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
Vom Netzwerk:
bezeichnet habe, die Schuld bei mir suchst?
    Nur weil ich nicht das wollte, was du für mich und mein Leben wolltest, läuft mein Leben noch lange nicht schief. Das war schon immer dein Irrtum, das anzunehmen –
    Und deiner, daß es für alles eine Lösung geben muß und daß Leute wie ich, hast du dich nicht mal so auszudrücken beliebt, die Ursache dafür sind, daß die Lösung verdammt nochmal unauffindbar ist!
    Moralist ist für euch ein Schimpfwort, was? An euerm Geld klebt Dreck – (es gab einige befremdete Blickwechsel an dieser Stelle, aber Wiggos Vater antwortete kühl:)
    Wahrscheinlich. Auf die Speisung der Fünftausend versteht sich leider nur die heilige Mutter Kirche, und leider weiht sie uns böse, unmoralische Kapitalisten nicht ein in ihre Künste und Wunder. Die Materie zeigt sich uns ungläubigen Ausbeutern immer wieder verstockt. Sie will sich partout nicht von selbst vermehren. Nun, was die himmlische Fakultät treibt, ist ihre Sache. Hier auf Erden aber kann ich nur soviel ausgeben, wie ich einnehme. Wenn du das schmutzig nennen willst, von mir aus. Also. Im übrigen wollte ich dir einfach nur einen freundschaftlichen Rat geben.
    Oda: Laß ihn doch, Papa. Wiggo saß schon immer auf dem hohen Roß. An euerm Geld klebt Dreck, dem müssen doch wohl ’n paar Tassen im Schrank fehlen. Darf man daran erinnern, wo der Herr aufgewachsen sind?
    Wiggo: Halt die Klappe, Oda.
    Wiggos Vater: Ich verbitte mir solche Töne, wenn du hierim Haus bist! Wenn es in deinen Kreisen üblich ist, so zu sprechen, na dann. Hier bei uns ist es nicht üblich, und ich wünsche, daß du das respektierst!
    Wiggo, unser edler Idealist, höhnte Oda. Soll ich dir was sagen, Bruderherz? Dein Idealismus ist den Leuten scheißegal!
    Oda, das gilt auch für dich, was ich eben sagte!
    Jaja. Ich brauch jetzt ’ne Zigarette, Papa. Es regt mich auf, daß jedes Gespräch mit Wiggo zur Grundsatzdiskussion ausartet und daß er es schafft, dadurch jede Feier kaputtzumachen. Und die Familie
    – Yasunari Kawabata, Schneeland; Albert Camus, L’étranger. Oda hatte damit nichts anzufangen gewußt. Ach, deine komischen Bücher. Ich will mich entspannen, wenn ich nach Hause komme, nicht noch schwierige Probleme wälzen. Die hab ich in der Bank schon genug. Verzerrte Gesichter, bleich das von Mutter, fleckig gerötet Odas und Vaters, als ich sagte: Ihr wollt nicht wissen, wie ihr lebt, das wißt ihr selber, ihr sucht Unterhaltung oder besser, genauer, Ablenkung, ihr wollt euch auch keine Gedanken machen, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Sie sind eben einfach so, basta, ihr könnt sie nicht ändern. Keiner kann das
    [ PATRICK G. {...}] und danach, wir waren gerade ein wenig beim Auskühlen, so will ich das mal nennen, tippte mir Wiggos Vater auf die Schulter: Ich möchte Sie einen Augenblick sprechen, bitte. Nebenan
    – verfluchtes Fieber, ich werde eine Tablette nehmen müssen, ich weiß wie heute, was ich sagte: Aber manchmal wollt ihr sie für ein paar Stunden vergessen, ihr könntet im KZ stecken und würdet euch nicht dafür interessieren, was diese Tatsacheerklärt oder ihre Hintergründe. Ihr würdet euch dafür interessieren, welchen schönen Film eure Bewacher als nächstes für euch spielen, um euch von der Misere abzulenken, die ihr ja eh nicht ändern könnt, – Jetzt ist Schluß, Wiggo, du beleidigst uns, – Nur nicht nachdenken! Alles seinen Gang gehen lassen! Täglich die Mühle treten; aber nur nicht nach den Gründen fragen, nach dem Woher, Wohin, Warum, – Raus! – Schon gut, Oda. Das war die Zeit, als ich mir das Hagakure kaufte, den Kodex der Samurai. Ich trug ihn ständig bei mir und wußte bald ganze Passagen auswendig. Jetzt gibt es auch noch diese Frau zuhause, diese fuchshaarige Schlampe, von der Dorothea keine Ahnung hat, wir haben miteinander geschlafen, ich hasse sie
    [ PATRICK G. {...}] der Gentleman, der perfekte Profi, er setzte sich an den Schreibtisch, das war kein Imitat, so etwas sieht man, Herr Verteidiger, jedenfalls ich sehe das. Schwere, gediegene Tischlerarbeit aus tropischen Edelhölzern, ein schwarzer Quader, gut drei Meter lang, die Tischplatte vier Finger dick und leuchtend blank. Er verschränkte die Hände, starrte mich an und sagte: Unmöglich, ein solches Benehmen. Ich wünsche, daß sich so etwas nicht wiederholt. Wie stehe ich in der Öffentlichkeit da, wenn der Freund meiner Tochter in einer Comedy-Sendung dem Moderator Margarine ins Haar schmiert! Ich bin Aktionären verpflichtet,

Weitere Kostenlose Bücher