Der Elbenschlaechter
Gurke lutschen werde – oder was immer dieser Kerl hier in seinen letzten Minuten getrieben hat –, damit käme ich im Notfall ja noch klar. Aber wenn es darum geht, dass mir einer mit einem Schlauch das Blut aus meinem bezaubernden Trollherz pumpen und mir gleichzeitig meine nicht minder schönen Kronjuwelen zerquetschen will … also, da wäre ich lieber nicht in Echtzeit dabei, wenn es sich vermeiden lässt!«
»Glaub mir, dir wird nicht das Geringste geschehen.« Hippolit entfernte die letzte Stoffbahn und starrte konzentriert in das fein geschnittene Antlitz des Toten.
Der Elb war nur mit einem leichten Leichenhemd angetan, sein blutleeres Gesicht so bleich, dass sich das halblange blonde Haar und der fingerdicke Schnurrbart auf seiner Oberlippe obszön gelb ausnahmen. Sein Gesicht, wiewohl im Zuge der zurückliegenden Untersuchung mehrfach abgetastet, zeugte noch von den abscheulichen Qualen, die er in den letzten Minuten seines Daseins durchgemacht hatte.
»Nichts von dem, was du im revalisierten Zustand zu erleben glaubst, hat Auswirkungen auf deinen realen Körper«, erklärte Hippolit und bedeckte Gideos verzerrtes Gesicht unauffällig mit einem Stück Tuch. »Wenn du nachts träumst, dass du von einer Klippe in den Tod stürzt, stirbst du schließlich auch nicht in Wirklichkeit, oder?«
Darüber dachte Jorge eine Weile nach. Im Hintergrund schleppten die Diener mittlerweile mehrere kleine Kisten mit thaumaturgischen Hilfsmitteln herein, die Hippolit beim Institut bestellt hatte.
»Du meinst, ich penne ein, träume, ich wäre dieser Spargel, sterbe ein bisschen und wache anschließend gesund und munter wieder auf?«, vergewisserte er sich schließlich.
Hippolit, der einen der Diener beim Aufstellen des großen Dreibeins anwies, nickte angelegentlich.
»Ich verrate dir, wie der Mörder aussieht, unser Freund, der Prinz geht ihn verhaften, und anschließend gibst du mir im Erlauchten Lurd ein gebratenes Krügerschwein und zehn Humpen Bier aus?«
Erneutes Nicken.
Energisch sprang Jorge von seinem Steinaltar auf. »Ich bin dabei!« Er trat neben den Diener, der sich mit den Stangen des stählernen Dreibeins abmühte, und stieß ihn ungeduldig zur Seite. »Platz, du Wicht! Jorge der Aufbauer zeigt dir, wie man es richtig macht.«
Schweigend beobachtete Hippolit Jorge den Aufbauer beim Hantieren mit dem sperrigen Gerät. Die Ader an seiner linken Schläfe begann kaum merklich zu pochen, als ein Gefühl sich in seinem Innern zu regen begann, das er seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte: der Anflug eines schlechten Gewissens!
Faktisch hatte er keineswegs gelogen: Weder die Revalisierung noch das Ritual der Finalen Stunde bargen für Jorge eine physische Gefahr. Mittels eines bewährten Systems aus Berührungen und unterstützenden thaumaturgischen Sentenzen, benannt nach ihrem Erfinder, dem weltberühmten Magnetiseur Meister Reval, würde der Troll zunächst in einen todesähnlichen Schlafzustand versetzt werden. Anschließend würde Hippolit mithilfe von Pogorschals thaumaturgischen Techniken die letzten Erinnerungen aus dem Hirn Gideos auf ihn übertragen. Nichts von dem, was Jorge in dieser Phase erlebte, würde nach seinem Erwachen Auswirkungen auf sein Befinden haben.
Hippolit verfolgte stumm, wie Jorge dem Dreibein zu einem stabilen Stand über dem Kopfende des zweiten Steinblocks verhalf und anschließend das an einer dünnen Kette befestigte Pendel aus einer gepolsterten Holzkiste holte. Die Ader an seiner Schläfe pochte heftiger.
Die Wahrnehmungen aus dem Geist des toten Elbs, die Jorge empfangen würde, würden sich nicht allein auf das Sehen und Hören beschränken, so viel war den Aufzeichnungen Meister Pogorschals klar zu entnehmen gewesen. Und Hippolits Analyse der Techniken, die der Elbenschlächter für die Extraktion von Blut und Samenflüssigkeit anwandte, ließ wenig Zweifel, dass die Prozedur für seine Opfer extrem schmerzhaft war. Auch wenn von diesen Schmerzen nach Jorges Erwachen nichts übrig bleiben würde – während der einstündigen Traumphase würde er unter Umständen dasselbe spüren, was der bemitleidenswerte Gideo hatte ertragen müssen …
»Ich bin ja bloß ein dummer Laie, M.H.«, riss die ungeduldige Stimme des Trolls Hippolit unvermittelt aus seinen Gedanken. »Aber sollte nicht allmählich mal was passieren? Ich liege jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit hier rum wie ein Schinken auf dem Schneidebrett, und du knetest dir an meinem wohlgeformten Antlitz
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