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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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schmerzhaft erweisen, falls er dem Metallgewicht nicht rechtzeitig auswich.
    Mittlerweile ging es auf Mitternacht zu. Seit vor einer guten Stunde die letzten von Salms Dienern das Feld geräumt hatten, waren Hippolit und Jorge allein in dem weitläufigen Gewölbe -wenn man von dem toten Elb absah, der kaum drei Fuß entfernt auf einem Steinaltar lag.
    Im Laufe seiner vielen Dienstjahre hatte Hippolit immer wieder von diesem bemerkenswerten Ort tief unter dem Königspalast gehört und gelesen. In Fachkreisen wurde das Gewölbe des einstigen Hofthaumaturgen Marobru gerne als eine Art Verstärker bezeichnet, der wie ein Brennglas die Intensität thaumaturgischer Rituale zu bündeln vermochte. Entgegen den Worten des Prinzen war diese Funktion jedoch nicht allein auf die architektonische Konstruktion des Kellers zurückzuführen, sondern auch auf gewisse in Wänden und Stützpfeilern verbaute Materialien sowie lange in Vergessenheit geratene Bannsprüche, die darüber gewirkt worden waren.
    Das Ergebnis dieser Vorkehrungen hatte Hippolit bereits früher am Abend beim Betreten des Gewölbes spüren können. Eine Aura der Verheißung schien zwischen dem mit komplexen Mosaiken gefliesten Boden und der hohen, von unzähligen steinernen Querverstrebungen durchzogenen Kuppeldecke zu schweben, eine schwer in Worte zu fassende Ahnung freier thaumaturgischer Energien, die die Luft zum Knistern und Hippolits Nackenhärchen zum Stehen brachte. Er konnte nicht sagen, ob aus Ehrfurcht vor dem legendenumrankten Ort oder als Folge der starken Kraftfelder.
    Tatsächlich war er noch bedeutend dankbarer für Salms Einladung, das Ritual hier vorzunehmen, als er dem Prinzen offenbart hatte. Der Grund waren nicht allein die baulichen Vorzüge des Gewölbes; genügend Platz für die nötigen thaumaturgischen Aufbauten sowie zwei steinerne Liegen hätte es auch in den Mauern des IAIT gegeben. Aber wenn Hippolit ehrlich war, hegte er – trotz seines ausgeprägten Selbstbewusstseins hinsichtlich seiner thaumaturgischen Fähigkeiten – gewisse Zweifel, ob er ohne die unterstützenden Mechanismen, die hier unten am Werk waren, überhaupt Aussichten auf eine erfolgreiche Anwendung von Meister Pogorschals nekromantischem Ritual hatte.
    Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Grund, wieso er den entscheidenden Schritt zur Identifizierung des Täters unbedingt hier, unter dem königlichen Palast, durchführen wollte. Über diesen hatte er bisher jedoch noch nicht einmal mit Jorge gesprochen.
    Unmittelbar nach ihrer Ankunft in dem Respekt einflößenden, von Reihen schwebender Glutglobuli erleuchteten Saal hatte der Troll sein in weißen Leinenstoff gewickeltes Mitbringsel auf einen von mehreren steinernen Altartischen plumpsen lassen. Dann hatte er sich mit mäßig interessierter Miene erkundigt, was genau mit ihm geschehen würde, sobald Hippolit ihn revalisiert hätte.
    »Wenn ich dich richtig verstanden habe, werde ich im Kopf dieses toten Strichjungen wieder zu mir kommen?« Jorge deutete auf das eingewickelte Paket vor sich. »Und aus seiner Perspektive sehen und hören, was ihm in der Stunde vor seinem Abtreten widerfahren ist?«
    »Quintessenziell!« Hippolit machte sich daran, die Leinentücher vom Leib des Leichnams zu entfernen. Ringsum waren Diener damit beschäftigt, alte Versuchsanordnungen abzubauen und aus dem Gewölbe zu tragen, Zeugnisse früherer thaumaturgischer Experimente. Die meisten der Ritualgefäße, Etageren und mechanischen Apparate waren von einer dicken Staubschicht bedeckt, einige jedoch wirkten, als seien sie erst vor wenigen Tagen zum letzten Mal benutzt worden.
    Hippolit beobachtete die Vorgänge aus den Augenwinkeln, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
    »Gut, so weit hab ichs kapiert.« Jorge ließ sich schwer auf einen zweiten Steinaltar dicht neben dem ersten fallen. »Nur eine Sache macht mich gewissermaßen noch etwas skeptisch …« Er legte den Kopf schief und sah fragend zu Hippolit hinüber, der nach wie vor mit Auswickeln beschäftigt war. Als er nicht reagierte, legte Jorge den Kopf noch schiefer und riss übertrieben die Augen auf.
    Seufzend wandte sich Hippolit in seine Richtung. »Und das wäre?«
    »Na ja, wir Trolle haben da ein Sprichwort. Es geht so: Die letzten Sekunden von einem, der unter viehischen Qualen krepiert ist, könnten unter Umständen nicht gerade unterhaltsam sein.« Er kratzte sich am Kopf. »Weißt du, dass ich nachher im Traum möglicherweise irgendeinem stinkigen Greis die

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