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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Händen und dachte nach, »es war im Sommer, Ende August wahrscheinlich.«
    »Und wann werden Sie die nächste abbrennen?«
    »Das weiß ich nicht. Es ist nicht so, dass ich es plane, im Kalender eintrage und dann darauf warte. Wenn ich Lust dazu habe, brenne ich eine ab.«
    »Aber es gibt doch nicht gerade immer eine passende Scheune.«
    »Da haben Sie natürlich recht«, sagte er leise. »Deswegen suche ich mir schon im Voraus eine aus, die sich zum Abbrennen eignet.«
    »Sie haben also immer welche auf Lager.«
    »Genau.«
    »Darf ich Sie noch eines fragen?«
    »Bitte.«
    »Steht schon fest, welche Scheune Sie als Nächstes abbrennen?«
    Er runzelte die Stirn. Dann atmete er pfeifend tief durch die Nase ein. »Ja. Das steht fest.«
    Ohne ein Wort zu sagen, trank ich in kleinen Schlucken mein restliches Bier.
    »Es ist eine richtig gute Scheune. Seit langem mal wieder eine, die sich abzubrennen lohnt. Tatsächlich bin ich heute hierher gekommen, um sie zu inspizieren.«
    »Das heißt, sie ist hier in der Nähe.«
    »Ganz in der Nähe«, sagte er.
    Damit endete unser Gespräch über die Scheunen.
    Um fünf weckte er seine Freundin und entschuldigte sich, dass sie so plötzlich bei mir hereingeplatzt waren. Obwohl er eine ganze Menge Bier getrunken hatte, war er vollkommen nüchtern. Er fuhr den Sportwagen aus dem Hof heraus.
    »Ich werde auf die Scheunen achten«, sagte ich beim Abschied.
    »Ja«, sagte er. »Es ist jedenfalls ganz nah.«
    »Was für Scheunen?«, fragte sie.
    »Gespräch unter Männern«, sagte er.
    »Ach du meine Güte«, sagte sie.
    Die beiden fuhren ab.
    Ich ging ins Wohnzimmer zurück und legte mich aufs Sofa. Auf dem Tisch stand alles durcheinander. Ich nahm meinen Dufflecoat, deckte mich damit zu und schlief fest ein.
    Als ich aufwachte, war es stockfinster im Zimmer. Es war sieben.
    Eine bläuliche Finsternis und der stechende Geruch von Marihuana hingen im Raum. Irgendwie war die Dunkelheit nicht gleichmäßig. Noch auf dem Sofa liegend, versuchte ich, mir die Fortsetzung der Aufführung beim Schulfest ins Gedächtnis zu rufen, aber ich konnte mich nicht mehr richtig erinnern. Hatte das Fuchskind schließlich die Handschuhe bekommen?
    Ich stand auf und öffnete das Fenster, um das Zimmer zu lüften, dann kochte ich mir in der Küche einen Kaffee.
    Am nächsten Tag ging ich zum Buchladen und kaufte eine Karte der Stadt, in der ich lebte. Es war eine Grundkarte im Maßstab 1:20000, auf der auch die kleinsten Straßen eingezeichnet waren. Ich ging mit der Karte die ganze Gegend ab und machte mit dem Bleistift an jeder Stelle, an der eine Scheune stand, ein Kreuz. In drei Tagen hatte ich eine quadratische Fläche von vier mal vier Kilometern bis in jede kleinste Ecke erkundet. Unser Haus liegt in einem Vorort, und in der Umgebung stehen noch viele Bauernhäuser. Daher gibt es auch eine beträchtliche Anzahl von Scheunen. Insgesamt waren es sechzehn.
    Seine Scheune musste darunter sein. Durch die Art, wie er »ganz in der Nähe« gesagt hatte, war ich überzeugt davon, dass sie nicht noch weiter von meinem Haus entfernt sein konnte.
    Als Nächstes untersuchte ich sorgfältig den Zustand jeder einzelnen Scheune. Zuerst schloss ich die Scheunen aus, die zu nah an Häusern oder neben Treibhäusern aus Kunststoff standen. Dann klammerte ich die aus, in denen sich landwirtschaftliche Geräte, chemische Insektenvertilgungsmittel oder Ähnliches befanden und die demnach ziemlich häufig in Gebrauch waren. Er würde bestimmt keine landwirtschaftlichen Geräte oder chemischen Mittel in Brand setzen wollen. Am Schluss blieben fünf Scheunen übrig. Fünf abzubrennende Scheunen. Beziehungsweise fünf Scheunen, gegen deren Abbrennen nichts einzuwenden war.
    Es waren alles Scheunen, die in etwa einer Viertelstunde niederbrannten und deren Abbrennen wahrscheinlich niemand bedauern würde.
    Welche davon er abbrennen wollte, konnte ich unmöglich bestimmen. Das war nur noch Geschmackssache. Aber ich hätte zu gern gewusst, für welche der fünf Scheunen er sich entschieden hatte.
    Ich breitete die Karte aus und radierte alle Kreuze weg, außer denen für die fünf Scheunen. Dann nahm ich ein Rechtwinkellineal, ein Kurvenlineal und einen Zirkel und bestimmte die kürzeste Strecke, um von unserem Haus aus an allen fünf Scheunen vorbei und wieder nach Hause zurück zu laufen. Weil sich der Weg an Flüssen und Hügeln entlangschlängelte, war es eine ziemlich zeitaufwendige Arbeit. Schließlich besaß die Strecke

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