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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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aß noch einen Apfel.
    Sie kamen um kurz nach zwei. Ich hörte, wie ein Sportwagen vorm Haus hielt. Als ich zum Eingang ging, sah ich den silberfarbenen Wagen auf der Straße stehen. Sie steckte ihren Kopf aus dem Fenster und winkte. Ich zeigte ihnen den Parkplatz hinterm Haus.
    »Da wären wir«, sagte sie lachend. Sie hatte eine dünne Bluse an, unter der man deutlich ihre Brustwarzen erkennen konnte, und einen olivgrünen Minirock.
    Er trug einen marineblauen Blazer. Ich fand, dass er etwas anders aussah als sonst, aber das lag an seinem mindestens zwei Tage alten Bart. Dieser Zweitagebart hatte bei ihm jedoch ganz und gar nichts Nachlässiges, bloß die Schatten auf seinen Wangen waren ein wenig dunkler. Er stieg aus dem Wagen, setzte seine Sonnenbrille ab und schob sie in seine Brusttasche.
    »Entschuldigen Sie, dass wir Sie so plötzlich an Ihrem freien Tag belästigen«, sagte er.
    »Aber das macht gar nichts. Bei mir ist jeder Tag wie ein freier Tag, außerdem war mir langweilig«, sagte ich.
    »Wir haben was zu essen mitgebracht«, sagte sie und holte eine große weiße Papiertüte vom Rücksitz.
    »Etwas zu essen?«
    »Nichts Besonderes. Wir dachten, dass wir wenigstens etwas mitbringen sollten, wenn wir Sie schon am Sonntag überfallen«, sagte er.
    »Das ist aber nett von Ihnen. Ich habe seit heute Morgen nur Äpfel gegessen.«
    Wir gingen ins Haus und breiteten die Lebensmittel auf dem Tisch aus. Es war eine ziemlich edle Zusammenstellung. Es gab Roastbeef-Sandwich, Salat, geräucherten Lachs und Heidelbeereis, und von allem reichlich. Während sie das Essen auf Teller umlud, holte ich eine Flasche Weißwein aus dem Eisschrank und öffnete sie. Es war fast eine kleine Party.
    »Also, fangen wir an. Ich habe furchtbaren Hunger«, sagte sie wie üblich.
    Wir bissen in die Sandwichs, aßen Salat und geräucherten Lachs. Als der Wein alle war, holten wir Dosenbier aus dem Eisschrank und tranken weiter. Bier ist das Einzige, womit unser Eisschrank immer gefüllt ist. Ein Freund von mir hat nämlich eine kleine Firma und gibt uns immer billig seine Biergutscheine, die er übrig hat.
    Er trank nicht wenig, wurde aber kein bisschen rot im Gesicht. Ich kann auch ziemlich viel Bier vertragen, und sie hielt ebenfalls mit und leerte ein paar Dosen. In kaum einer Stunde standen schließlich lauter leere Bierdosen auf dem Tisch. Nicht schlecht. Sie nahm einige Platten aus dem Regal und legte sie auf den Plattenspieler mit automatischer Wechselvorrichtung. »Airegin« von Miles Davis erklang.
    »Ein Garrard mit automatischem Plattenwechsler ist heutzutage eine Seltenheit«, sagte er.
    Ich erklärte, dass ich ein Fan von automatischen Plattenwechslern sei. Und dass es ziemlich schwierig sei, einen guten Garrard zu finden. Er pflichtete mir höflich bei.
    Nachdem wir eine Weile über Stereoanlagen geredet hatten, schwieg er einen Moment. »Ich habe etwas Gras«, sagte er dann, »wenn Sie Lust haben?«
    Ich zögerte. Ich hatte gerade erst vor einem Monat mit dem Rauchen aufgehört und fühlte mich noch sehr labil. Ich war mir nicht sicher, was es für eine Wirkung haben würde, wenn ich jetzt Marihuana rauchte. Schließlich rauchte ich. Er holte aus der Papiertüte die in Aluminiumfolie gewickelten schwarzen Blätter, packte sie aus, legte sie auf das Zigarettenpapier, rollte sie ein und leckte den Klebestreifen mit der Zunge an. Er zündete den Joint mit dem Feuerzeug an, zog ein paar Mal daran, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass er richtig brannte, reichte er ihn mir. Es war sehr gutes Marihuana. Wir sprachen eine Weile nichts und ließen den Joint rumgehen. Auf Miles Davis folgten Walzer von Johann Strauss. Eine seltsame Musikauswahl, aber irgendwie nicht schlecht.
    Als der Joint zu Ende war, sagte sie, dass sie müde sei. Sie hatte wenig geschlafen, und die drei Bier und der Joint hatten ein Übriges getan. Sie wird immer sofort müde. Ich begleitete sie in den ersten Stock und brachte sie ins Bett. Sie sagte, dass sie gerne ein T-Shirt von mir hätte. Ich gab ihr eins, und ohne Zögern zog sie ihre Kleider bis auf die Unterwäsche aus, streifte sich das T-Shirt über und legte sich hin. Ich fragte sie, ob ihr nicht kalt sei, aber da schlief sie schon fest. Kopfschüttelnd ging ich nach unten.
    Im Wohnzimmer hatte ihr Freund einen zweiten Joint gedreht. Er war wirklich zäh. Ich wäre am liebsten neben sie ins Bett gekrochen und auch einfach eingeschlafen. Aber das ging nicht. Wir rauchten und noch immer

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