Der Elefanten-Tempel
und plauderte in Thai mit dem Verkäufer und den anderenInteressenten, vielleicht über die Gewinnchancen. Ricarda fand die Beträge, die es zu gewinnen gab, nicht besonders aufregend – die Hauptpreise waren kaum mehr als ein paar hundert Euro –, aber vielleicht hatte man dafür öfter Glück.
Sofia zog Ricarda beiseite. »Ich glaube, Chani hätte gerne so ein Los. Was meinst du, wollen wir ihr eins spendieren? Als Dankeschön für die Stadtführung?«
»Klar, gute Idee«, sagte Ricarda mit mäßiger Begeisterung. »Ich glaube, die kosten achtzig Baht pro Stück, das ist noch okay.«
Heimlich ging Ricarda das Los kaufen, während Sofia Chanida ablenkte. Immerhin, es war schön, zu sehen, wie Chanida sich freute, als sie sie mit dem Los überraschten.
»Oh, danke, danke, danke!«, jubelte sie und brachte die Hoffnung auf Reichtum sorgfältig in ihrer Tasche unter. »Ihr seid wirklich jai di , gutherzig. Ich werde bestimmt gewinnen, auf der Losnummer ist gleich dreimal die Neun, das ist eine Glückszahl.«
In Ricardas Tasche knisterten noch zwei weitere Lose. Eins für Tao, eins für Nuan. Sie wusste noch nicht, ob sie den Mut haben würde, es Nuan zu geben. Und ob es überhaupt eine gute Idee war, ihm etwas mitzubringen. Aber wieso eigentlich nicht? Er sah aus, als könnte er einen Gewinn jetzt gerade ziemlich gut gebrauchen.
Ricarda war froh, als sie sich auf den Rückweg nach Lampang machten. Kurz bevor sie in den Buseinstiegen, ertönte plötzlich Musik aus verborgenen Lautsprechern und die Bewohner von Chiang Mai hielten inne bei dem, was sie gerade taten. Sogar ein brauner Mischlingshund, der auf dem Bürgersteig unterwegs war, schien beim Beschnuppern einer Abfalltüte einen Moment zu zögern.
»Die Nationalhymne«, flüsterte Chanida ehrfürchtig und wandte den Blick zu einem großen Poster, auf dem das Gesicht des Königs prangte. Nüchtern und höflich, aber ohne ein Lächeln blickte er auf sein Volk herab.
Nach ein paar Minuten war die Hymne verklungen und das Leben konnte weitergehen.
Als sie Tao am nächsten Morgen beim Frühstück sein Los gab, war er sprachlos vor Glück. Er strahlte sie an und Ricarda strahlte zurück. Schließlich sprudelte Tao irgendetwas hervor und rannte zu seiner Mutter, um ihr das Los zu zeigen.
Auf den ersten Blick hätte Ricarda Gulap fast gar nicht erkannt, sie war perfekt geschminkt, trug eine mit Diamanten besetzte Kette und hochhackige Schuhe zu einem Sommerkleid. Ihre Haare, die ebenso lang und prachtvoll waren wie Chanidas, hingen ihr offen über die Schultern.
»Alle zwei Wochen hat sie genug von den Elefanten, dann fährt sie in die Stadt und gönnt sich was«, flüsterte Chanida ihnen zu.
Sofia und Ricarda nickten verblüfft.
Während Sofia und Chanida über Gulaps Kleid fachsimpelten, wandten sich Ricardas Gedanken wieder Nuan zu. Jetzt kam es auf die passende Gelegenheit an, ihm sein Los zu überreichen. Ricarda konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen, und malte sich aus, wie überrascht er wäre, wie er lächeln würde, wenn sie ihm sein Geschenk zeigte. Oder würde er es albern finden? Anbiedernd? Noch war sie fast eine Fremde für ihn.
Am Morgen nach dem Ausflug war er beim Morgenbad und der Fütterung dabei, als sei nichts geschehen. Sorgfältig schrubbte er Devi und die große Elefantin wälzte sich genüsslich prustend an einer flachen Stelle des Flusses auf die Seite. Ricarda behielt die beiden aus den Augenwinkeln im Blick, während sie Daeng mit den Händen Wasser über den Kopf spülte. Sofia schien vergessen zu haben, dass sie sauer auf Nuan war; sie sprach ihn nicht auf den verpassten Ausflug an und widmete sich stattdessen Mae Jai Dis Körperpflege. »So, jetzt mal schön hinter den Ohren waschen«, hörte Ricarda sie sagen. »Keine Sorge, ich helf dir dabei.«
Doch an anderen Stellen konnten Elefanten sich sehr wohl selbst helfen. Nach dem Baden beobachtete Ricarda den großen alten Bullen Isuan dabei, wie er sorgfältig einen Zweig auswählte, die Blätter abstreifte und ihn mit Fuß und Rüssel zur richtigen Größe zurechtstutzte. Dann begann er sich damit die Zwischenräume zwischen den Zehennägeln zu reinigen.Nach jedem Stochern wischte er den Stock säuberlich im Gras ab. Ricarda staunte.
Kaeo sah es auch. »Schlau, aber reicht nicht. Morgen machen wir Fußpflege bei Daeng, ich zeige dir, wie geht.«
Wieso hatte sie eigentlich Kaeo nichts mitgebracht? Dabei kümmerte er sich wirklich viel um sie, zeigte ihr alles, half ihr
Weitere Kostenlose Bücher