Der Elefanten-Tempel
stellt zweimal im Monat eine Riesenladung von dem Zeug her, füllt es in Flaschen und lässt es von ihrem Bruder in Chiang Mai verkaufen. Und zwar ganz schön teuer.«
»So, so, Gulap ist also eine gerissene Geschäftsfrau«, murmelte Ricarda erstaunt. Plötzlich wurde ihr klar, wer der eigentliche Hauptverdiener – oder eher, die Hauptverdiener in – der Familie war. Wahrscheinlich händigte Gulap Ruang auch längst nicht alles aus, was sie einnahm. Denn Geld, das er in die Hände bekam, wurde todsicher sofort in Elefantenfutter investiert.
Taos Mönchsweihe war ein großer Tag für die ganze Familie. Selbst die Elefanten feierten mit. In stundenlanger Arbeit hatten sich Chanida und Seven, der tätowierte Mahout , die Mühe gemacht, Mae Suchadas Haut festlich zu bemalen. Verschlungene traditionelle Muster in Gelb, Blau, Grün und Rosa zogen sich über ihren Kopf, Rüssel und Körper. Ricarda und Sofia durften dabei helfen, ihre riesigen Zehennägel mit Öl zu polieren. Als alles fertig war, sah Mae Suchada prachtvoll aus und bewegte sich so würdevoll, als sei sie sich dessen bewusst.
»Das größte Problem bei so was ist immer, sie zum Stillhalten zu bringen«, seufzte Chanida und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom buntgefleckten Gesicht. Das danach noch ein klein wenig schillernder aussah.
Sofia blickte zweifelnd drein. »Und was ist, wenn es regnet? Gibt’s dann bunte Pfützen?«
»Red nicht davon, das bringt Unglück!«, stöhnte Chanida.
Ricarda war stolz darauf, dass nicht nur die gesamte Verwandtschaft bei diesem feierlichen Anlass dabei sein durfte, sondern auch sie und Sofia, die beiden Mädchen aus dem weit entfernten Europa. Sie hatten sich beide, so gut es hier ging, aufgestylt und Sofia trug ihre riesigen roten Lieblingsohrringe.
Tao wirkte fröhlich und aufgeregt, anscheinend freute er sich wirklich auf die Zeit im Tempel. Gerade wusch er die Füße seiner Mutter und seines Vaters, das schien zur Zeremonie zu gehören. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und legte feierlich die Hände auf Brusthöhe zusammen. Seine älteren Verwandten stellten sich hineinander auf und jeder von ihnen schnitt Tao eine Haarsträhne ab. Gleichzeitig sprachen sie einige Worte.
»Das ist ein Segen, damit er eine gute Zukunft hat«, erklärte ihnen Chanida leise. »Als Nächstes wird sein Haar ganz abrasiert.«
Einer der orange gekleideten Tempelmönche höchstpersönlich übernahm die Rasur, ernst und feierlich fuhr er mit der Klinge über Taos Schädel, bis er kahl war wie ein frisch gepelltes Ei. Auch die Augenbrauen kamen weg. Jeder von Taos Verwandtengoss ihm Wasser über den Kopf, wieder folgten Segenssprüche, dann wurden sein Kopf und Körper mit aromatischen Kräutern eingerieben, um ihn rituell zu reinigen.
Noch sah Tao nicht aus wie ein Mönch, sondern nur wie ein kahler, sehr aufgeregter kleiner Junge. Doch das sollte sich bald ändern. Zuerst legte Tao eine Ehrenrunde auf dem Rücken der festlich bemalten Mae Suchada ein, damit auch alle Nachbarn Bescheid wussten und ihm Glück wünschen konnten. Dann ging es los zum Tempel. Aufgeregt redend zwängten sich Ruang, Gulap, die Großmutter mit den schwarzroten Zähnen, diverse Onkel und Tanten und natürlich Chanida und Kaeo in Autos, mit etwas Mühe fanden auch Sofia und Ricarda noch Platz. Ricarda saß neben einem Onkel und Kaeo flüsterte ihr zu, dass er es war, der den Geistern einmal eine Flasche Whisky spendiert hatte. Der Onkel roch ziemlich nach irgendeinem Schnaps, weshalb Ricarda froh war, als sie endlich in Lampang bei Taos zukünftigem Tempel ankamen.
»Hier wird er also wohnen«, meinte Sofia nachdenklich, als sie dem Tross der Verwandtschaft zu einer großen, mit prachtvollen Schnitzereien verzierten Halle folgten. »Ich würde gerne mal wissen, was die jungen Mönche den ganzen Tag machen.«
»Wahrscheinlich müssen sie viel meditieren und bekommen von den älteren Mönchen Unterricht«, vermutete Ricarda. »Wir können Kaeo ja nachher fragen.«
Im Tempelinneren, vor einem majestätischen Buddha-Bildnis, sank Tao auf die Knie und verbeugte sich dreimal; die orangefarben gekleideten Mönche versammelten sich um ihn und ein ritueller Gesang begann. Manchmal sang Tao Antworten, dann wieder waren die Mönche dran. Tao sah sehr ernsthaft und konzentriert aus.
»Er hat die ganze letzte Woche geschwitzt, weil er Angst hatte seinen Text zu vergessen«, flüsterte ihnen Chanida zu. »Die ganze Zeremonie ist nicht in Thai, sondern in
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