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Der elektrische Mönch

Der elektrische Mönch

Titel: Der elektrische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Adams
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sich den größe­ren Teil des Pizzastücks in den Mund.
    »Natürlich«, sagte Richard. »Naja, ziemlich bekannt.«
    »Worum geht's?« sagte Dirk mit vollem Mund.
    Richard rutschte nervös auf seinem Platz herum. »Sie ist ein Beispiel«, sagte er, »für das Prinzip, daß auf einem Quantenniveau alle Vorgänge von Wahrscheinlichkeiten bestimmt sind ... «
    »Auf einem Ouantenniveau, und darum auf allen«, unter­brach Dirk. »Allerdings ist auf jedem Niveau, das höher als das subatomare ist, die Gesamtwirkung dieser Wahrschein­lichkeiten im Normalverlauf der Vorgänge ununterscheid­bar von der Wirkung unumstößlicher und fester physikali­scher Gesetze. Fahre fort.«
    Er steckte sich noch mehr kalte Pizza ins Gesicht.
    Richard dachte, in Dirks Gesicht sei wirklich schon allzu viel hineingesteckt worden. Teils dadurch, teils durch die Mengen, die er redete, herrschte fast Dauerbetrieb in seinem Mund. Seine Ohren dagegen blieben bei einer normalen Un­terhaltung fast völlig unbenutzt.
    Richard kam der Gedanke, wenn Lamarck recht hätte und man nähme in Dirks Verhalten über mehrere Generationen ein durchgehendes Prinzip an, dann bestünde die Aussicht, daß schließlich eine radikale Umorganisation im Innern des menschlichen Schädels einträte.
    Richard fuhr fort: »Nicht nur sind die Vorgänge auf ei­nem Quantenniveau durch Wahrscheinlichkeiten bestimmt, sondern diese Wahrscheinlichkeiten lösen sich auch so­lange nicht in Vorgänge auf, bis sie gemessen werden. Oder um eine Formulierung zu benutzen, die ich dich eben in einem ziemlich bizarren Zusammenhang verwenden hörte, der Akt des Messens bringt die Wahrscheinlichkeits­Wellenform zum Zusammenbrechen. Bis zu diesem Punkt bestehen alle möglichen Handlungsweisen, die einem, sa­gen wir mal, Elektron offenstehen, als Wahrscheinlichkeits-Wellenformen gleichzeitig nebeneinander. Nichts ist ent­schieden. Bis es gemessen wird.«
    Dirk nickte. »Mehr oder weniger«, sagte er und nahm noch einen Happen. »Aber was ist mit der Katze?«
    Richard kam zu dem Schluß, es gebe nur eine Möglichkeit, nicht zusehen zu müssen, wie Dirk sich durch den ganzen Rest der Pizza durchfräße, und die war, selber den Rest zu essen. Er rollte ihn zusammen und knabberte andeutungs­weise an dessen Ende. Die Pizza war ziemlich gut. Er biß noch einmal ab. Dirk beobachtete das überrascht und er­schrocken.
    »Also«, sagte Richard, »die Idee hinter Schrödingers Katze war, daß man sich eine Möglichkeit vorzustellen ver­suchte, in der die Auswirkungen eines wahrscheinlichen Verhaltens auf einem Ouantenniveau auch auf eine makro­skopischen Ebene nachvollziehbar wären. Oder sagen wir mal: auf einer alltäglichen Ebene.«
    »Ja, sagen wir das mal«, meinte Dirk, der dem Rest der Pizza einen verzweifelten Blick hinterherschickte. Richard biß nochmal ab und redete fröhlich weiter.
    »Man stelle sich also vor, man nimmt eine Katze und setzt sie in eine Kiste, die man dicht verschließen kann. In die Ki­ste tut man außerdem einen kleinen Brocken radioaktives Material und ein Fläschchen Giftgas. Man richtet alles so ein, daß innerhalb einer bestimmten Zeitspanne die Chance ge­nau fünfzig zu fünfzig steht, daß in dem radioaktiven Stoff ein Atom zerfällt und ein Elektron aussendet. Wenn es zer­fällt, setzt es das Gas frei und tötet die Katze. Wenn nicht, bleibt die Katze am Leben. Fünfzig zu fünfzig. Abhängig von der fünfzig zu fünfzig stehenden Möglichkeit, daß ein einzelnes Atom zerfällt.
    Der springende Punkt, so wie ich ihn sehe, ist folgen­der: da der Zerfall eines einzelnen Atoms ein Vorfall auf einem Quantenniveau ist, der weder auf die eine noch auf die andere Weise zu analysieren ist, solange er nicht beob­achtet wurde, und da man die Beobachtung erst machen kann, wenn man die Kiste öffnet und nachsieht, ob die Katze noch lebt oder tot ist, ergibt sich daraus eine recht ungewöhnliche Konsequenz.
    Bis man die Kiste öffnet, befindet sich die Katze selbst in einem unbestimmten Zustand. Die Möglichkeit, daß sie noch lebt, und die Möglichkeit, daß sie tot ist, sind zwei ver­schiedene Wellenformen, die sich in der Kiste überlagern. Schrödinger kam auf diesen Gedanken, um zu illustrieren, was ihm an der Quantentheorie absurd erschien.«
    Dirk stand auf und latschte zum Fenster hinüber, wahr­scheinlich weniger wegen der kümmerlichen Aussicht, die es auf ein altes Lagerhaus bot, in dem ein alternativer Schau­spieler seine ungeheuren Honorare,

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