Der elektrische Mönch
die Augen und den Hals, aber es war im Grunde noch immer dasselbe Gesicht, an dessen grimmiges Lächeln er sich sehr lebhaft erinnerte, als dessen Besitzer vor acht Jahren hinten in eine der Grünen Minnas der Gendarmerie von Cambridgeshire gestiegen war.
Er trug einen schweren, alten hellbraunen Anzug, der aussah, als sei er in einer fernen und besseren Vergangenheit ausgiebig zu Ausflügen in die Brombeeren getragen worden, ein rotkariertes Hemd, dem es total mißlang, zu dem Anzug zu passen, und eine grüngestreifte Krawatte, die sich weigerte, mit beiden zu sympathisieren. Er trug auch eine dicke Brille mit Metallgestell, die möglicherweise wenigstens zum Teil seinen Kleidergeschmack erklärte.
»Ah, Mrs. Bluthall, wie höchst erbaulich, von Ihnen zu hören«, sagte er gerade. »Ich war so betrübt, als ich hörte, daß Miss Tiddles nicht mehr unter uns ist. Das ist wirklich eine schreckliche Nachricht. Und doch, und doch ... Sollten wir's denn der düsteren Verzweiflung gestatten, vor uns den helleren Glanz des Lichtes zu verbergen, in dem Ihre gebenedeite Katze nun für immer weilt?
Ich denke nein. Hören Sie! Ich meine, eben jetzt Miss Tiddles miauen zu hören. Sie ruft nach Ihnen, Mrs. Bluthall. Sie sagt, sie ist wunschlos glücklich, sie ruht in Frieden. Sie sagt, sie wird noch friedlicher ruhen, wenn Sie die eine oder andere Rechnung bezahlt haben. Erinnert Sie das nicht an etwas, Mrs. Bluthall? Wenn ich recht überlege, meine ich, ich selber hätte Ihnen eine vor drei Monaten geschickt. Ich frage mich, ob es wohl die ist, die Miss Tiddles' ewige Ruhe stört.«
Dirk winkte Richard mit einer forschen Bewegung herein und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, er solle ihm das zerknüllte Päckchen französische Zigaretten reichen, das eben außerhalb seiner Reichweite lag.
»Sonntagabend also, Mrs. Bluthall, Sonntagabend um halb neun. Die Adresse kennen Sie. Ja, ich bin sicher, Miss Tiddles wird erscheinen, wie ganz sicher auch Ihr Scheckbuch. Bis dann, Mrs. Bluthall, bis dann.«
Ein anderes Telefon klingelte bereits wieder, als er Mrs. Bluthall loswurde. Er griff danach und zündete sich gleichzeitig seine verkrumpelte Zigarette an.
»Ah, Mrs. Sauskind«, gab er der Anruferin zur Antwort, »meine älteste und, wenn ich das so sagen darf, wertvollste Klientin. Ihnen einen guten Tag, Mrs. Sauskind, guten Tag. Leider bislang noch kein Lebenszeichen vom kleinen Roderich, es tut mir leid, aber die Suche wird noch verstärkt, sobald sie sich ihrem, wie ich überzeugt bin, Endstadium nähert, und ich bin zuversichtlich, daß in nur wenigen Tagen von heute an gerechnet wir den kleinen Schlingel anmutig miauend für immer in ihre Arme zurückgeben werden, ah ja, die Rechnung, ich überlegte gerade, ob Sie die wohl erhalten haben.« Dirks zerknüllte Zigarette erwies sich als zu zerknüllt zum Rauchen, deshalb klemmte er sich das Telefon auf die Schulter und fingerte in dem Päckchen nach einer anderen, aber es war leer.
Er kramte auf dem Schreibtisch nach einem Stück Papier und einem Bleistiftstummel und schrieb etwas auf, was er Richard rüberschob.
»Ja, Mrs. Sauskind«, versicherte er dem Telefon, »ich höre Ihnen mit äußerster Aufmerksamkeit zu.«
Auf dem Zettel stand: »Sag Sekretärin, soll Zig. holen.«
»Ja«, redete Dirk weiter in das Telefon, »aber wie ich Ihnen über die sieben Jahre unserer Bekanntschaft zu erklären mich bemüht habe, Mrs. Sauskind, neige ich in dieser Sache zur Quantenmechanik. Meine Theorie ist, daß Ihre Katze sich nicht verlaufen hat, sondern daß ihre Wellenform vorübergehend zusammengebrochen ist und wiederhergestellt werden muß. Schrödinger. Planck. Und so weiter.«
Richard schrieb auf den Zettel: »Du hast keine Sekretärin«, und schob ihn zurück.
Dirk besah sich ihn eine Weile, schrieb »Verflucht und zugenäht« auf das Papier und schob es wieder zu Richard hinüber.
»Da stimme ich Ihnen zu, Mrs. Sauskind«, fuhr Dirk fröhlich fort, »daß neunzehn Jahre ein, sagen wir mal, bemerkenswertes Alter für eine Katze ist, doch dürfen wir uns die Freiheit nehmen zu glauben, daß ein Kater wie Roderich es nicht erreicht hat?
Und sollten wir ihn nun im Herbst seiner Jahre seinem Schicksal überlassen? Dies ist jetzt sicherlich die Zeit, in der er den Trost unserer nie ermüdenden Nachforschungen am nötigsten braucht. Dies ist die Zeit, da wir unsere Anstrengungen verdoppeln sollten, und mit Ihrer Erlaubnis, Mrs.
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