Der Elfenhuegel
der Helligkeit, so daß wir mit ihm verhandeln können. An jedem anderen Ort wäre der Ausgang zweifelhaft. Erledige das, und wir bringen dich und deinen Bruder sicher nach Hause. Das ist unsere Meinung zu diesem Thema.«
Sean beobachtete die glühende Kugel, die ungeduldig zu wackeln schien. Er wollte die Frau nicht belügen, aber Barney hatte gesagt, er solle niemandem trauen. Dann schaute er zu dem Mann hinüber. Er schien traurig zu sein, doch er lächelte ein wenig und nickte mit dem Kopf.
Nachdem er all seinen Mut zusammengenommen hatte, fragte Sean:
»Bist du der Ehrliche Tom?«
»So werde ich von einigen genannt.« Der Akzent des Mannes war rauh, wodurch man seine Worte nur schwer verstehen konnte, aber Sean erinnerte sich daran, daß Barney gesagt hatte, Tom sei ein Schotte.
»Er ist von deiner Art, obwohl wir ihn schon lange bei uns haben.«
Sie lächelte ihn warmherzig an. »Manchmal gegen unser besseres Wissen. Aber er wird geliebt, und er ist loyal zu uns.«
»Ich werde mit Patrick zurückkommen«, sagte Sean. »Ihr laßt uns nach Hause gehen?«
Die Frau lachte, und ihre Stimme klang weich wie eine singende Harfe. »Ja, guter Junge, wir werden dich und deinen Bruder nach Hause gehen lassen. Aber zuerst mußt du den, wie du ihn nennst, Leuchtenden Mann finden. Dann mußt du zu uns zurückkehren, aber sei vorsichtig: Um dessen Hof zu erreichen, mußt du durch die Halle der Uralten Jahreszeiten. Vermeide alle Türen, außer denen am Ende, dann wirst du sicher ankommen. Und du mußt dich vor Betrügereien in acht nehmen. Dann mußt du geschwind zurück sein, denn unser Hof und seiner wird diese Nacht in deine Welt ziehen, und du wirst dich dann sehr weit von deinem Zuhause befinden. Geh jetzt.«
Mit einem Wink ihrer Hand entließ sie den Jagdführer, wie sie die Lichtkugel genannt hatte, und er schoß den Hügel hinunter in Richtung weißer Pfad. Sean stolperte hinterher, voller Angst, das Ding würde ihn hintenan lassen, aber als es erst einmal auf dem Pfad war, nahm das Licht seinen trägen Tanz wieder auf, wobei es sich den Pfad entlangbewegte. Sean atmete tief durch, um sich abzuhärten, und folgte der Kugel. Innerhalb weniger Minuten bemerkte Sean, daß der Pfad unter seinen Füßen von einem grenzenlosen Weiß zu einem neutralen Grau übergegangen war. Und der Himmel über ihm wurde dunkler. Er schob die aufkommende Furcht beiseite und stapfte weiter.
21
Die Wälder wurden dunkler, hatten aber keinen der prophezeihenden Aspekte, die Sean von den länger werdenden Schatten erwartet hatte.
Es gab einfach nur weniger Licht. Sie folgten einem Weg an einem sprudelnden Bach entlang, und Sean warf einen Blick zu dem Jagdführer. Noch immer führte er seinen gedankenlos hüpfenden Tanz von einer Straßenseite zur anderen aus, so daß er ihm mühelos folgen konnte, wenn er ihn nicht zu weit voraus ließ. Er lief zu dem Bach und kniete sich nieder, um zu trinken.
Seans Lippen berührten das Wasser, und er trank gierig. Plötzlich tauchte ein Bild vor ihm auf. Sein Kopf schnellte vor dem Bild auf dem Wasser zurück. Er schaute sich um und war sicher, daß in diesem Fluß keiner schwimmen würde. Er war nur wenige Meter breit und nur Zentimeter tief. Er schielte über den Rand und hatte erneut das Gefühl, daß dieser Ort dem Zuhause nicht glich. Die Oberfläche des Wassers glich einer Ebene, zwischen der er und ein weiterer Bereich waren, eine türkisfarbene und grüne Welt von Ozeanen und Seen. Er bewegte sich ein wenig näher auf die Oberfläche zu und betrachtete das Gesicht unter der Oberfläche. Es war das Gesicht einer Frau, dachte Sean, und es schien nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche zu schweben.
Ihre Haut war blaßblau, und etwas weiter unten konnte er verschwommen den Körper eines Fisches sehen, der dort, wo die Beine sein sollten, mit bläulichen Schuppen bedeckt war. Er konnte sehen, daß sie nackt war und von der Taille an aufwärts normal gebaut; tatsächlich – wenn Sean solche Sachen beurteilen konnte war sie schön, mit großen Brüsten, einer lieblichen Linie zu ihrem Hals und schlanken Armen, die sich anmutig entgegengesetzt der trägen Bewegung ihres Unterkörpers bewegten. Ihr schwarzes Haar verteilte sich um ihren Kopf wie ein Kranz von dunklen und fedrigen Seidenfaden, und ihre Lippen, eher purpurn als rot, lächelten. Ihr Gesicht war menschlich, außer ihren Augen, die vollkommen schwarz waren und keine Iris hatten. Sie schien Sean zuzuwinken und ihn zu bitten, ins
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