Der Elfenthron - Brennan, H: Elfenthron
war schwindelig. Der Fels, auf dem er stand, war nicht mehr fest, sondern bebte wie der Rücken eines riesigen Tieres und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Einen Moment lang schien es so, als stünde er
tatsächlich
auf einem riesigen Tier, aber dann war er wieder auf festem Boden.
Die Luft begann zu singen. Henrys Schwager Pyrgus hatte ihn einmal mit in eine Simbalastube genommen, und so ähnlich war es jetzt auch, nur dass damals die Musik im Innern seines Körpers geflossen war, während sie ihn jetzt umgab, in einem sich immer weiter ausdehnenden Panorama, das sich bis zum fernen Horizont erstreckte. Er konnte die Musik sowohl hören als auch sehen. Wenn er die Hand ausgestreckt hätte, hätte er sie vielleicht sogar berühren können.
Blue bewegte sich.
Henry drehte sich zu ihr um, aber sie war nicht aufgewacht, nicht von den Toten auferstanden. Ihr Körper schwebte nur, trieb ein wenig auf den tonalen Wellen des Musikmeeres. Die Musik klebte in einem schwarzen Lamento an ihr.
Da waren riesige Vögel. Zunächst glitten sie träge über den fernen Himmel, aber schnell kreisten sie näher, und er sah,dass es Geier waren, die gekommen waren, um von der toten Blue zu fressen. Henry wedelte mit den Armen und schrie, aber einer der Vögel kam immer näher und wurde größer und größer, bis er die Sonne verbarg und dann den ganzen Himmel über seinem Kopf ausblendete. Henry konnte seinen stinkenden Atem riechen, den ekelhaften Gestank von Tod und Verwesung, wie er sich neben Blue niederließ, der armen Blue.
Dann öffnete er seinen Bauch, um ein großes, fahles Ei zu legen. Während Henry noch starrte, kam ein klopfendes Geräusch aus dem Ei, das einen Sprung bekam und dann zerbrach. Aus den zerbrochenen Schalen trat der Road Runner hervor.
Vierunddreißig
Es war schön, mal aus dem Haus zu kommen. Lord Hairstreak trat kurz nach Sonnenaufgang aus seinem vergoldeten Ouklo und starrte zum Karcist Kreml hinauf, der Zitadelle von Creen und dem Verwaltungszentrum der Tafel der Sieben. Der Ort sah deutlich weniger extravagant aus, als er ihn aus den Tagen vor der Revolution noch in Erinnerung hatte. Keine Fahnen, keine Wimpel, keine Dekorationszauber. An ihrer Stelle gab es nun einen lehmig braunen Sicherheitsschutz in militärischer Tarnfarbe und eine Reihe von Plakaten, die scharf vor dem Einsatz tödlicher Gewalt warnten. Die sich anmutig in Serpentinen dahinschlängelnde Auffahrtsstraße war durch eine kerzengerade Allee ersetzt worden, die wie ein Pfeil auf die Eingangstreppe zielte. Unglaublich schlechtes Feng Shui, aber natürlich viel besser zu verteidigen, da man einen herannahenden Feind schon aus einem Kilometer Entfernung sehen konnte. Selbst die Ziersträucher und Blumenbeete waren ausgerupft worden, um für eineReihe kahler Kontrollposten Platz zu machen. Interessanterweise waren sie mit schwer bewaffneten Wachsoldaten besetzt: Trotz Haleklinds tiefem Vertrauen in Magie verließen sich die Sieben ganz augenscheinlich nicht nur auf automatische Zauber. Paranoia war etwas Wunderbares, dachte Lord Hairstreak: Sie machte die Leute so köstlich manipulierbar.
Seine eigene militärische Entourage nahm ihre Plätze ein, vier Soldaten, um das Ouklo zu sichern – es wäre äußerst ungünstig, wenn jemand entdeckte, was sich im Innern verbarg –, und der Rest umringte Hairstreak selbst. Er hatte solch einen Personenschutz eigentlich nicht nötig, da er mit einem Körper ausgestattet war, der genauso gut hätte gepanzert sein können, aber da war immer noch die psychologische Notwendigkeit für eine eindrucksvolle Eskorte. Es würde nie genügen, dass er den Putsch der Sieben finanziert hatte, nie genügen, dass er all ihre schmutzigen kleinen Geheimnisse kannte. Für die totale Kontrolle musste er eine eindrucksvolle Figur abgeben, und das bedeutete, eine Show abzuziehen. Das war nicht leicht, solange man in seinen Bergfried eingesperrt war und mit einer Schubkarre herumgefahren werden musste. Aber nun hatte er einen ganz neuen Körper und konnte ihnen zeigen, wo der Hammer hing. Mellas Gefangennahme war da eine perfekte Entschuldigung. Er lächelte ein wenig, holte tief Luft und eilte auf die Treppe zu.
Kameradin Ysabeau trat heraus, um ihn zu begrüßen, begleitet von Marschall Houndstooth – ein Zeichen dafür, dass die militärischen Vorbereitungen auf einem guten Wege waren. Der Marschall salutierte elegant, ein weiteres gutes Zeichen, aber es war Ysabeau, die die Treppe wie eine
Weitere Kostenlose Bücher