Der Engel Der Kurie
sie heran und begrüßten die Tochter des Hauses, wobei sie jene neue spanische Mode benutzten, unter leichter Verbeugung der Dame einen Kuß auf den Handrücken zu hauchen. Margherita Farnese schlenderte, ihre Galane im Schlepptau, zum Brunnen zurück. Wenn die berühmte Giulia Farnese, dachte Jakob, nur halb so attraktiv war wie Margherita, verstehe ich gut, daß ihr Rom zu Füßen lag, und er fragte sich, ob Margherita mit der Mätresse von Papst Alexander VI. verwandt war.
Allmählich füllte sich der Innenhof; es mochten sich an die hundert Gäste versammelt haben. Ein heller Gong rief in den Speisesaal, und der Zufall wollte es, daß sich Jakob und Frangipane am Eingang trafen. Die Miene des Bischofs hellte sich auf, als Jakob die Vorspeisen lobte und von der Anmut der Tochter des Hauses schwärmte.
»Ich glaubte, du bevorzugst orale Genüsse«, spottete der Bischof, »und jetzt schwärmst du von der Schönheit einer Dame.«
»Ihr müßt zugeben, Exzellenz, daß ich auch dies mit dem Mund tue.«
»Du bist ein Schelm.« Frangipane lachte.
»Nein, ein Genießer«, erwiderte Jakob, und insgeheim lobte er sich dafür, wie rasch es ihm gelang, dem Ansinnen Trippas gerecht zu werden und einen Schein zu erwecken, der ihm Zugang zu den Kreisen der römischen Lüstlinge gewähren mochte.
An der Tafel zeigte sich, daß die Tischordnung Frangipane und Jakob zwar nicht zu Nachbarn gemacht, aber doch in denselben Abschnitt empfohlen hatte, dessen glänzenden Mittelpunkt Margherita Farnese abgab. Eine Dame war stets zwischen zwei Herren plaziert, wobei es der Sitte entsprach, daß sich der Mann der Frau zu seiner Rechten widmete. So gelangte Jakob an eine nett anzusehende Braunhaarige, die sich mit Reden schüchtern zurückhielt und in ihrem Auftreten bescheiden war, wie überhaupt alle Damen gegenüber Margherita deutlich abfielen. Jakob vermutete Absicht dahinter; auf dem eigenen Fest sollte keine Fremde die Tochter des Hauses ausstechen. Margherita ihrerseits genoß es, im Mittelpunkt zu stehen und alle Augen auf sich gerichtet zu wissen.
»Man wünschte«, bemerkte Frangipane und beugte sich schräg über den Tisch zu Jakob herüber, »sie wäre ebenso wie ihre Großtante mit einem Halbblinden verheiratet.«
Der Bischof beobachtete genau, ob seine Anspielung verstanden wurde, und lächelte, als Jakob wissend nickte. Es gehörte zur Allgemeinbildung eines jeden Klerikers in Rom, Guilias Ehe mit Orsino Orsini zu kennen, der genau wußte, wann er sein eines Auge zudrücken mußte, um die drei Bankerte, die ihm Bella Giulia von Alexander unterschob, ohne Erröten zu ertragen, denn anders als seine Kinder mit Vanozza erkannte der Borgia-Papst Guilias Kinder nicht als seine eigenen an; Orsini-Sprößlinge waren schließlich auch so gut versorgt.
Margherita verstand es unnachahmlich, sich neben den Augen die Ohren der Gäste gewogen zu machen, denn sie parlierte munter und frech, wobei ihre Rede, je länger der Abend ging, um so anzüglicher wurde.
»Was denkt ihr wohl, ihr feinen Herren, wie es euch im Schlafgemach juckt, wenn eine weißhäutige Fee vor euch die Kleider verliert«, sprach sie mit verschwörerischer Stimme und beobachtete reihum alle Männer, die an ihren Lippen hingen, »und dann, kurz bevor sie nackt nach eurem Wams greift und in eure Stiefel schlüpft? Rüttelt euch da die Verwandlung auf, und seid ihr bereit, die schönsten Geschichten zu erzählen, die euch je zu Gehör gekommen sind, um den Knaben zu unterhalten, der jetzt mädchenhaft vor euch steht?«
Ihre Augen funkelten, und auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken, während sie die Männer mit ihrer schamlosen Rede aufstachelte und mit gespitzten Lippen von einer blauen Feige naschte. Frangipane wischte sich den Schweiß von der Stirn. Jakobs Nachbar legte seine Hand auf den Schenkel seiner Dame. Andere fuhren sich mit der Zunge über die Lippen.
»Dann, meine Freunde, geht und erzählt diese Geschichten; ein neuer Wein steht bereit im Nebenraum, und jeder, der sich am Decamerone messen läßt, ist eingeladen, seine Dame mit sich zu führen.«
Die schöne Farnese erhob sich und wies zur rückwärtigen Wand, wo in diesem Moment eine Flügeltür aufschwang. Dahinter waren im Halbdunkel flackernden Kerzenscheins mehrere Diwane und niedrige Tische zu sehen. Wie von Geisterhand stand eine blonde Frau neben Margherita und hielt deren Tischherrn den Arm hin, damit er sie in den Nebenraum geleite, während die Tochter des Hauses davonhuschte.
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