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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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diese Nacht nicht mehr in Gefahr zu bringen. Wir haben uns die besten Huren schicken lassen, die es innerhalb der Mauern für den Auftrag gibt, Männer rasch zu ermüden. Sie verstehen ihr Handwerk, und wie man an Eurer Tischdame sah, sind sie auch gute Komödiantinnen.«
    »Weiß der Kanzler von dieser Inszenierung?«
    »Er weiß, daß Ihr hier seid; die Einzelheiten kümmern ihn nicht.«
    »Und Trippa?«
    Ambrogio Farnese schüttelte den Kopf.
    »Mißtraut Ihr ihm?«
    »Traut Ihr ihm?«
    Jakob schwieg. Ambrogio nahm ihm gegenüber Platz und setzte den Bauern vor dem weißen König zwei Felder vor. Jakob erwiderte mit dem spiegelbildlichen Zug und tat dies auch, als Ambrogio seinen Bischof drei Felder über die Diagonale zog und anschließend den Königsspringer freistellte. Weiß griff mit dem Damenbauern an, den Jakob mit seinem Königsbauern schlug, worauf Ambrogio seinen Königsbauern vorzog und den schwarzen Springer bedrohte. Jakob brachte sein Pferd in die Mitte, und während sein Gegenüber rochierte, stellte er seinen zweiten Springer hinter den Läufer und beobachtete das Mienenspiel Farneses, der ungerührt den Bauern vor den Läufer schob. Jakob schlug zu. Ambrogio holte sich seinen ersten Bauern mit dem Springer von der Grundlinie, was Jakob zum Sprung mit seinem vorderen Springer reizte und Weiß zwang, mit dem Bauern zurückzuschlagen, um den Ausgleich bei den Offizieren wiederherzustellen. Jakob nahm seine Dame vor seinen König, Ambrogio rückte den Turm auf die Königslinie, Jakob rochierte, und Ambrogio attackierte mit seinem zweiten Bischof die schwarze Dame.
    »Schon müßt Ihr zurückweichen«, flüsterte Farnese und setzte, als Jakob seine Dame auf die Grundlinie zurückgezogen hatte, seine Dame vor seinen Turm. »Selten erstürmt Kühnheit den Vatikan, und noch seltener führt Ungestüm zum Erfolg. Die Kurie ist für die Ewigkeit gemacht, nicht für den Augenblick. Hüte dich vor schnellen Entschlüssen!«
    »Ihr seid gut postiert«, erwiderte Jakob leise.
    »Der da«, brummte Ambrogio und deutete auf seinen Bauern auf der Königslinie, »ist Frangipane. Er will dich aus der Reserve locken. Ein einziger Fehler, dann bist du matt.«
    Langsam berührte Jakob den Bauern, der nunmehr vor seinem König stand, und schob ihn ein Feld voran; das verschaffte seinem König ein wenig Luft.
    »Wie heißt dieser Läufer, der mich verdeckt bedroht?« fragte er und deutete auf den Bischof der weißen Bahn.
    »Das ist Fabricio Casale, vor ihm nimm dich in acht.« Farnese rückte den zweiten Turm auf die Damenlinie. Die Stellung wurde für Schwarz bedrohlich.
    »Wer ist dieser Fabricio Casale?«
    »Er ist wahrscheinlich ein illegitimer Abkömmling Leos, jedenfalls würde das die Zuneigung, die Casale seitens der Medici erfährt, erklären. Vielleicht hätte ihn Clemens sogar zu seinem Kanzler gemacht, aber er mußte seine Wahlabsprachen einhalten und kam deshalb nicht an meinem Vetter vorbei. Doch in gewisser Weise ist Casale der heimliche Kanzler, sozusagen ein persönlicher Sekretär.«
    »Eigenartig«, murmelte Jakob und schob seinen König ein Feld nach vorne, »ich habe noch nie von ihm gehört.«
    »Schach!« Ambrogio hatte seinen schwarzen Bischof vor Jakobs König geschoben und blickte den Mönch nun lächelnd an. »Ihr werdet wieder zurückweichen müssen.«
    Mutlos zog Jakob seinen Heerführer auf die Grundlinie und grübelte lange darüber, was er gegen das anstürmende Pferd unternehmen sollte, ehe er den Randbauern halbherzig nach vorne schob.
    »Das ist seine Masche«, sagte Farnese und setzte seinen Springer hinter jenen Bauern, den er Frangipane getauft hatte. »Um der Macht willen verzichtet er auf den Ruhm; nicht einmal zum Bischof ließ er sich machen, sondern fristet als Weihbischof im stillen Kämmerlein sein Dasein und hält alle Fäden in der Hand. Manchmal denke ich, er ist mächtiger als Clemens; jedenfalls ist er skrupelloser.«
    »Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger begreife ich den Vatikan. Wie funktioniert die Macht?«
    »Da möchte ich dir, lieber Mönch, mit einem Beispiel antworten: Schau auf das Brett, und sage mir, wie es steht.«
    »Um mich steht es schlecht.«
    »Vielleicht. Wer weiß das mit Gewißheit? Ein genialer Zug von dir, ein Fehler von mir, schon sind die Verhältnisse gekippt. Du deutest deine Lage, und du verwendest dazu den Verstand. Aber dein Verstand ist nicht frei von Gefühl. Da ist zum einen dein Doktorenehrgeiz, der dich treibt, gegen einen

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