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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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Würdenträgern wenigstens ein sauberes Bild abgab. Doch momentan war das Fest für ihn weit weg; Jakobs Gedanken waren vollkommen von Ennea in Beschlag genommen. Konnte eine Täuschung oder Verwechslung vorliegen? Er hatte Luigi eingeschärft, sich den Verdächtigen genau anzusehen und sich keinesfalls ein vorschnelles Urteil zu bilden. Luigi war ein aufgeweckter Junge, und er hatte den Mörder längere Zeit aus nächster Nähe gesehen. Aber wenn Ennea der Mörder war – wie kam er an die Opfer?
    Alle ihm bekannten Tatsachen drehte und wendete Jakob hin und her, aber eine schlüssige Erklärung fand er lediglich für Paola, Frangipanes Engel, und für Antonia, seine eigene Tischnachbarin auf dem Fest des Ambrogio Farnese. Paola befand sich im Haus, ihr mußte Ennea nur folgen, als sie einmal das Haus in der Nacht verließ; auf sie mochte er, der sich im besonderen Sinn als Diener seines Herrn fühlte, durchaus eifersüchtig gewesen sein. Über das Fest bei Ambrogio wußte er zumindest deshalb Bescheid, weil Frangipane dort Gast war, und dabei könnte Ennea Antonia beobachtet haben. Aber wie stand es mit Dora, die man unter dem Kapitol fand? Oder mit Tullia, die in der Nähe von San Pietro in Montorio entdeckt worden war? Und schließlich mit Bibiana, Serenas Tante? Steckte der Zufall dahinter, daß Ennea auf diese Mädchen gestoßen war? Oder gab es Hinweise von dritter Seite?
    Bei Tullia, folgerte Jakob weiter, mochte die Verbindung über Ambrogio laufen, den und dessen Gewohnheiten Ennea kennen konnte, und Bibiana mochte wirklich sogar ein Zufallsopfer sein, denn schließlich wohnte Raimondo Senili um die Ecke. Aber Dora, die das erste Mal überhaupt das schützende Haus Lydias verließ? Und dann erst Lydia und Aldobrandino Orsini; diese Morde konnte sich Jakob nicht erklären.
    Aber auch die Morde an sich schienen Jakob nicht zu einem Menschen zu passen, der bittere Tränen wegen eines leidenden Hundes vergießen konnte; andererseits war ein Hund eine unschuldige Kreatur, was man zumindest aus der Sicht eines Moralisten von den Huren nicht sagen konnte.
    Ich muß noch mehr erfahren, dachte Jakob und schlüpfte in das frische Gewand. Wichtiger noch schien ihm die Frage, wie er mit Trippa umgehen und ob er ihn einweihen sollte. Wenn der Monsignore falschspielte, konnte es sein, daß er Ennea laufenließ, um die Morde einem anderen in die Schuhe zu schieben. Vielleicht unterstellte er einem anderen, Ennea mißbraucht zu haben, und Ennea lieferte in der Tortur jede gewünschte Aussage. Ja, Trippa wartete nur darauf, daß ihm Jakob einen Tatverdächtigen präsentierte, der sich auf die Folter spannen und dann für seine Zwecke einsetzen ließ. Wenn der Monsignore tatsächlich, wie es die Erkenntnisse von Luigi nahelegten, so eng mit den Farnese verbunden war, dann gab es nur einen Mann, gegen den sich die Intrige richten konnte: Fabricio Casale. Ambrogio Farnese hatte von Anfang an beinahe haßerfüllt über den Vizedatar gesprochen, und Trippa, der sich lange Zeit geschickt bedeckt gehalten hatte, ließ letztlich auch den Eindruck bestehen, er verdächtige den illegitimen Medici-Sproß.
    Wo aber, befielen Jakob neue Zweifel, läge der Sinn, daß ausschließlich Huren aus dem Umkreis von Casale die Opfer waren? Wenn Casale selbst der Auftraggeber gewesen wäre, hätte er einzig und allein sich selbst geschädigt. Das ergab keinerlei Sinn. Es sei denn, er hätte unbotmäßige Dirnen bestrafen wollen; ja, so ließe es sich darstellen; man hätte ein glaubwürdiges Motiv und eine belastende Zeugenaussage, das müßte genügen, Casale in Haft zu nehmen und zu verhören; er würde hartnäckig leugnen und den Untersuchungsrichter zwingen, nach dem Androhen der Folter zur Tortur zu schreiten; dann wäre Casale in Gottes Hand und Ambrogio Farnese am Ziel seiner Wünsche.
    Ich werde also, dachte Jakob, entgegen Trippas Anweisung den Fall beim Governatore zur Anklage bringen und dafür sorgen, daß Ennea in das Untersuchungsgefängnis Corte Savella kommt.
    Lächelnd steckte er sich fünfzig Goldscudi in die Tasche, damit er später am Glücksspiel teilnehmen konnte, und verließ seine Zelle.
    Das Gartenhaus des Chigi lag am Fuße des Gianicolo unmittelbar am Tiber und war der letzte Sommerpalast, ehe die Wohnhäuser von Trastevere begannen. Die Villa befand sich in einem weiten Garten mit mehreren ausladenden Buchen und Linden, deren Kronen nun kahl und winterlich in den Himmel ragten. Am eisernen Tor vor der Gartenzufahrt

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