Der Engel Der Kurie
auf die Politik gebracht und versucht, Jakob auf die kaiserliche Seite zu ziehen, indem er ihn an seiner landsmannschaftlichen Ehre packte und die Verbundenheit des deutschen Mönches mit dem deutschen König als wegweisend und gottgegeben betonte. Doch Jakob hatte keinen Sinn für die Politik, insbesondere nicht für die wankelmütigen Taktierereien dieses Papstes, der sich heute so heftig auf die Seite des Kaisers stellen konnte, wie er sich morgen dem Franzosenkönig in die Arme werfen mochte. Wahrscheinlich liebte Clemens mehr als alles andere den Krieg, dachte Jakob. Würden die Könige in Eintracht leben, bedürfte es keines kirchlichen Richters über weltliche Fragen und schwände seine Macht. Außerdem, argwöhnte Jakob, wäre den Königen dann die Herrschaft der kleinen Fürstentümer lästig, und sie sähen in den Grafschaften und Städten geeignete Happen, um ihren herrscherlichen Appetit zu stillen; wie sehr müßte es einen Medici schmerzen, verlöre er Florenz an Kaiser Karl oder König Franz. Da war es schon besser, aus der Zwietracht der Großen die Sicherheit der Kleinen abzuleiten und dafür zu sorgen, daß kein Frieden zustande kam.
Schon hatten sie den Tiber überschritten und näherten sich Frangipanes Haus, als Jakob sich an Luigi wandte und ihm einschärfte, er solle, falls er gefragt werde, sagen, er sei ein Pferdebursche von Ambrogio Farnese und habe vor zwei Wochen im Palazzo Garilliati bei einem Fest ausgeholfen und dabei einem anderen, dessen Namen er nicht wisse, ein Kästchen überreicht, welches ihm Ambrogio persönlich anvertraut habe. Luigi blickte zwar fragend, nickte jedoch widerspruchslos. Jakob wollte unter dem Vorwand, den Boten des Giftes entdeckt zu haben, mit dem Jungen von Ennea zu Frangipane vorgelassen werden; so konnte Luigi den Verdächtigen unauffällig betrachten und blieb vor allzu forschenden Fragen verschont.
Jakob pochte an die Tür, die sogleich von Ennea geöffnet wurde. Mit wirren Haaren und flackerndem Blick stand er da und starrte auf Jakob und den Jungen. Jakob fiel auf, daß er eine deutlich hervorgewölbte Unterlippe hatte, die seinem Gesicht einen dümmlichen Anstrich verlieh. Sein kräftiger Kehlkopf hüpfte aufgeregt, ehe Ennea mit unnatürlich hoher Stimme die Auskunft gab, der Bischof sei außer Haus.
»Schade«, erklärte Jakob, »ich hätte ihm hier einen Jungen vorgestellt, den er wegen seiner Unpäßlichkeit neulich gewiß gerne gesprochen hätte. Richte ihm aus, daß wir morgen wiederkommen.« Dann fügte er, einer plötzlichen Eingebung folgend, hinzu: »Der Bengel hat junge Hunde und weiß nicht, wohin damit; soll ich sie im Tiber ertränken?«
»O nein«, jammerte Ennea sofort, »die armen Welpen, das dürft Ihr den Tieren nicht antun.«
»Vielleicht kannst du einen Welpen nehmen«, erwiderte Jakob mit Unschuldsmiene.
In Enneas Gesicht arbeitete es, und schließlich huschte ein kurzes Lächeln über seine Lippen; er nickte. »Ihr habt recht, ich könnte eines der Hündchen nehmen. Bringt es morgen mit, wenn Ihr kommt; aber nicht vor der Mittagsstunde, denn für Exzellenz wird die Nacht lang werden.«
»Was hat der Bischof vor?« fragte Jakob scheinheilig.
»Zuerst beehrt er Chigi, und danach muß er ja nur über die Ponte Sisto springen; Euch muß ich ja nicht mehr sagen.«
Jakob lächelte, legte Ennea freundschaftlich die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: »Morgen bringe ich dir den schönsten Hund.« Dann ging er mit Luigi davon. Sie nahmen den Weg zum Vatikan hinauf, damit Ennea vermuten konnte, Jakob brächte den Jungen zum Camposanto, und erst als sie an der Via Teutonico angelangt waren, blieben sie stehen. Jakob drehte sich Luigi zu, seine Augen fragend auf ihn gerichtet. Der Junge wirkte bleich und wie gelähmt; er nickte nur.
»Bist du sicher?«
»Ja«, antwortete Luigi leise. »Das war der Mann, den ich neulich nachts gesehen habe.«
»Gut«, sagte Jakob. »Dann werden wir ihm morgen einen jungen Hund bringen. – Kannst du zu den anderen laufen und einen Welpen auftreiben? Ich komme morgen nach der Andacht und hole dich ab.«
»Wird gemacht«, entgegnete Luigi; es sah wie eine Befreiung aus, so leichtfüßig sprang der Junge dahin und war schon im Borgo verschwunden.
Jakob suchte seine Zelle auf und wechselte die Kleidung; zwar besuchte er das Fest des Chigi im Habit der Dominikaner, aber zu diesem Anlaß hatte er seine zweite Robe eigens waschen lassen, damit er unter all den Edelleuten und hohen
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