Der Engel Der Kurie
hinter der Tür gestanden und auf ihn gewartet.
Serena kauerte auf dem Treppenabsatz und sprang erleichtert auf, als sie Jakob sah. Im Haus der Kupplerin, die ihre Tante zum Bischof von Rapolla geschickt hatte, fühlte sie sich äußerst unwohl. Warum schickte der Mönch sie hierher? Vielleicht gehörte der Dominikaner doch zu denen, welche die Verbrechen an den Huren verschleiern wollten. Nein, so viel Mißtrauen hatte der Mönch nicht verdient; außerdem hatte er Apollonia fünf Scudi für sie gegeben, und auch Giuseppe hielt ihn für einen ehrbaren Mann. Aber wenn auch die Sache mit dem Geld nur ein Trick gewesen war, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen?
Plötzlich fiel ihr ein, wer die zweite Leiche in Trippas Keller gewesen war. Die tote Frau mußte jene Antonia gewesen sein, nach der sich der Mönch so hartnäckig erkundigt hatte, und sie erinnerte sich, gefragt zu haben, ob die Dirne tot sei; daraufhin hatte der Mönche kaltherzig gelogen.
Als Jakob eintrat, sprang Serena auf und folgte ihm und Marcina die engen Treppen hinauf. Als sie zwei Stockwerke hinaufgegangen waren, zwängten sie sich durch eine versteckte Tür. Serena riß überrascht die Augen auf, als sie die Seidentapeten wahrnahm; so etwas hatte sie noch nie gesehen; alle Wände waren mit Bildern von Eulen, Falken, Raben und vielen anderen bunten Vögeln geschmückt.
Dann betrat Claudia den Raum. Unnahbar sah sie aus in ihrem schlichten schwarzen Kleid und dem dunklen Panno listato, der ihr Gesicht verbarg. Nur ihre blauen Augen durchdrangen den zarten Schleier. Sie sah nicht aus wie eine Frau, die Mädchen wie ihre Tante leichtfertig zu Purpurträgern schickte und damit in Gefahr brachte.
Niemand sprach in den ersten Momenten ein Wort. Nur ein leises Vibrieren schien in der Luft zu stehen, wie unmittelbar vor einem Blitz während eines Sommergewitters. Serena schaute den Dominikaner an; auch er schien die besondere Aura, die Claudia umgab, zu spüren. Er hatte sich zwar als erster gesetzt, doch umklammerten seine Hände die Lehne seines Ledersessels.
»Das ist Serena«, sagte Jakob endlich mit heiserer Stimme. »Sie ist die Nichte der toten Bibiana und braucht deine Hilfe.«
»Wenn ich helfen kann, helfe ich ihr«, erwiderte Claudia leise. Auch sie hatte sich in einer anmutigen Bewegung gesetzt. Serena fiel auf, daß Marcina plötzlich verschwunden war, als gäbe es hier noch einen Geheimgang.
In groben Zügen berichtete Jakob, was sich ereignet hatte. Manchmal, während Claudia aufmerksam zuhörte, nahm sie Serena in den Blick, und einmal war es dem Mädchen sogar, als zwinkerte die Frau ihr freundlich zu.
»Kannst du mit Casale wegen der Jungen sprechen?« schloß Jakob seinen Bericht und lehnte sich in seinen Sessel zurück, als sei er erschöpft vom Reden.
»Du verlangst viel.« Claudias Stimme zitterte. »Aber ich werde es tun. Unter einer Bedingung.«
»Welcher?«
»Du mußt wiederkommen und mich anhören.«
Jakob schluckte überrascht, ehe er ein »Gewiß« flüsterte.
Zwei Stunden später gewährten zwei Schweizergardisten Jakob und Serena Einlaß am schmalen Tor der düsteren Casa Santa. Ein Frater in schwarzer Robe führte sie in einen tiefen Keller hinab und durch einen feuchten Flur zu einem Verlies.
Ein modriger Geruch wallte ihnen entgegen, als eine eisenbewehrte Tür aufschwang. Das Verlies selbst lag in tiefster Dunkelheit, nur im engen Umkreis der Tür erhellte der fahle Schein der Fackel den Boden. Karges, schmutziges Stroh lag da. Kalt und feucht strich die Luft in den Flur, von den Ecken her stank es nach Kot. In der Dunkelheit raschelte es, und schon sah man Ratten durch den Lichtschein hüpfen.
Jakob wandte sich mit Grausen ab, während Serena in das schwarze Loch hineinrief: »Luigi, Massimiliano, kommt heraus!«
Leise, ungläubige Schreie antworteten ihr, und dann krochen die beiden durch die Finsternis zur Tür. Verdreckt und verängstigt sahen sie aus, doch unversehrt.
Der Frater verschloß das Verlies wieder und geleitete sie hinauf, wo er wortlos auf eine Tür deutete. Sie traten ein und standen unversehens in einem schmalen Raum dem Inquisitor von Rom gegenüber. Er sah unscheinbar aus; klein, schmächtig, ein glattrasiertes, spitzes Gesicht und eine Glatze mit einem Kranz weißer, kurz geschorener Haare. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt und nickte ihnen ernst und stumm zu.
»Eine Frage muß ich euch stellen: Was tatet ihr im Keller des Weihbischofs?« Seine Stimme klang überraschend
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