Der Engel Der Kurie
prangte ein kunstvoll gestaltetes Wappen, das durch eine senkrechte und eine waagerechte Linie in vier Teile geteilt war und jeweils über Kreuz einen ausladenden Baum und einen von einem Stern gekrönten Turm darstellte, wobei der Turm aus sechs wabenartigen Elementen aufgebaut war. Das Wappen zeigte Fruchtbarkeit und Reichtum der Familie an, zu Recht, wie der mit prunkvoller Leichtigkeit aufgeführte Sommerpalast bewies, dessen hohe Fenster hell erstrahlten.
Unaufhörlich trafen Gäste ein, wobei viele mit herausgeputzten Kutschen vorfuhren, die von frisch gestriegelten, silbern geschirrten Pferden gezogen wurden. Vor dem Portal wartete ein Dutzend Lakaien, und zu jeder Kutsche sprangen vier Diener vor und entboten ihre Hilfe beim Aussteigen; dann geleiteten sie unter hochgehaltenen Schirmen die Damen und Herren trockenen Fußes zur Eingangshalle, wo die Gäste von einem Zeremonienmeister in Empfang genommen wurden. Mit ausgesuchter Höflichkeit begrüßte der Zeremonienmeister jeden Gast, ehe es über eine breite Treppe in die weiten Räume der Villa hinaufging, in der sich Baldassare Peruzzi durchaus auch ein Denkmal als Baumeister gesetzt hatte. Dann bog man um eine Ecke und stand im Saal der Perspektiven, und hätte Jakob bei Garilliati nicht den Felsensaal gesehen, er wäre erschrocken, dermaßen lebensecht standen die Säulen vor dem Betrachter und gaben den Blick auf eine weite Landschaft voller Liebreiz frei, die Jakob ganz in ihren Bann zog. Er verharrte und gab sich der optischen Täuschung hin, offensichtlich sehr zur Freude des Künstlers, denn leise schlich sich Peruzzi an Jakob heran und schlug ihm auf die Schulter.
»Du bist also gekommen, du Nordmönch«, sagte er lachend. »Gefällt dir mein Werk?«
Jakob nickte und suchte nach passenden Worten des Lobes, doch Baldassare verschwand so lautlos und rasch, wie er erschienen war. Neben einem Fensterflügel entdeckte Jakob den jungen Colonna-Wachmann Carlos Nunez und ging langsam auf ihn zu.
»Carlos!« Jakob berührte den Wachmann am Arm. Er drehte sich um und erschrak.
»Seid gegrüßt«, stammelte er. »Was wollt Ihr von mir?«
»In jener Nacht, als du diesen schwarzen Schatten sahst – was hatte der Schatten für Haare?«
Carlos zögerte. »Laßt mich überlegen! Ich glaube, er hatte kurzgeschorenes Haar, beinahe, als hätte er eine Kappe auf.«
»Wenn ich dir den Mörder gegenüberstellte«, fragte Jakob weiter, »würdest du ihn erkennen?«
»Es war dunkel, ich habe nur den Schatten, einige Umrisse gesehen. Nein, ich glaube nicht.«
»Aber was die Haare angeht, bist du dir sicher?«
»Der Mann könnte eine Kappe getragen haben. Andernfalls müssen die Haare kurz geschoren gewesen sein, doch, da bin ich sicher.«
»Hast du eine Tonsur gesehen?«
»Nein; eine Tonsur hätte ich wahrgenommen.«
Jakob nickte Carlos zu und schlenderte weiter in einen zweiten Saal. Hier wurde in silbernen Bechern Wein gereicht, und Jakob griff gerne zu. Plötzlich bemerkte er Ambrogio Farnese auf sich zu kommen.
»Werter Doktor«, grüßte er und deutete eine Verbeugung an, »das Vergnügen, dich zu sehen, läßt mein Herz höher schlagen. Du wirst erahnen, daß meine Neugier beinahe ins Unermeßliche gestiegen ist, weil ich schon so lange keine Nachricht mehr von dir erhielt. Zappelt der Mörder gar schon in deinem Netz?«
»Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite«, erwiderte Jakob genauso übertrieben freundlich. »Leider ist es einfacher, der Bibel neue Erkenntnisse abzugewinnen als diesem Fall, und wenn ich den geringsten Erfolg hätte verbuchen können, hättet Ihr es sicher auf doppelte Weise erfahren; einmal von Eurem Vetter und zum anderen natürlich aus meinem eigenen Munde.«
»Ottavio ist in die große Politik verstrickt, ihm kommt zur Zeit wenig zu Ohren. Er hat mit den Verhandlungen mit König Franz und Kaiser Karl zu tun. Es hätte schon sein können, daß du einen Erfolg verbuchst und mein Vetter nichts davon ahnt.«
Jakob lächelte Farnese bedauernd an. »Einzig der Umstand, daß Monsignore Trippa ein Mensch mit einem abwechslungsreichen Charakter ist«, raunte er und fixierte Ambrogios Gesicht, »ist mir als neuere Erkenntnis bekannt geworden; er scheint weniger selbst Schach zu spielen, als mit diebischem Vergnügen dabei zu sitzen, wenn sich zwei Spieler gegenseitig zerfleischen.«
Ambrogio verzog das Gesicht. »Wie muß ich dieses Gleichnis verstehen?«
»Noch bin ich nicht über das Stadium des Verdachts hinaus. Vielleicht
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