Der Engel Der Kurie
Monte Simbruini, serviert wurde.
Nachdem der Thunfisch verspeist war, trugen die Lakaien die Teller ab und warfen sie aus einem der Fenster in den Garten hinab, wo Diener mit aufgespannten Tüchern standen. Als die Tücher mit Silber voll waren, schritten die Diener im Schein großer Feuer, welche in weiten Schalen entzündet worden waren, zum Tiber und schütteten das ganze Geschirr in den Fluß. Niemand solle mehr aus diesen Tellern essen, bemerkte Chigi in seiner Ansprache an die Gäste, denn so, wie sie hier zusammengekommen seien, verdienten sie alle ein Zeichen der Einzigartigkeit. Hochrufe wurden ausgestoßen, und der Bankier bedeutete seiner Dienerschaft, neue Teller aufzutragen, denen allzubald die Genüsse aus den Wäldern folgten: Wildschwein, Fasan und Hase, Wachteln, Hirsch und Perlhuhn, begleitet von feinem Gemüse und herrlichen Weinen, erfreuten Auge und Gaumen. Wiederum wurden die Silberteller in den Tiber geworfen und durch neues Geschirr ersetzt, ehe Süßigkeiten in höchster Verfeinerung sowie honigweiche Liköre und delikater Wein hereingebracht wurden.
Dann, als alle längst ihre Bäuche hielten, trugen zwölf Diener zwei riesige Torten herein und stellten sie behutsam auf die Tafel. Drei Lautenspieler postierten sich hinter Chigi und zauberten liebliche Töne in den Saal. Ein neuer, rosafarbener Wein wurde in frischen Bechern kredenzt, und alle erhoben sich und riefen dem Gastgeber die freundlichsten Wünsche zu. Da schlug ein Lakai auf einen kupfernen Gong, und ein göttlicher Donnerhall gebot Schweigen. Die Spitzen der beiden Torten flogen in hohem Bogen über die Gäste davon, und es erschienen die Köpfe zweier bezaubernder Damen, einer blonden Fee rechts und einer schwarzen Nymphe links. Sie sprangen unter großem Geraune auf die Tafel, splitternackt vom Scheitel bis zur Sohle, und schritten würdevoll an den überraschten Gästen vorbei, bis sie am Ende des langen Tisches hinter Laken verschwanden, die diensteifrige Lakaien hielten.
Dann, kaum waren die beiden Schönheiten verschwunden, brauste ein Beifall durch den Saal wie der Jubelsturm im Kolosseum am Ende des heiligen Spiels. Chigis Worte gingen beinahe in der allgemeinen Begeisterung unter, als er zum Glücksspiel und weiteren Belustigungen in den Nebensaal lud.
Während des langen Essens hatte Jakob immer wieder seinen Nachbarn Frangipane und den gegenübersitzenden Ambrogio Farnese beobachtet und festgestellt, daß sich die beiden bei aller heiteren Miene durchaus mißtrauisch belauerten. Mehr als einmal traf Jakob dabei ein grimmiger Blick Ambrogios, der offenbar wirklich argwöhnte, in Jakob keinen Verbündeten mehr zu haben, und Jakob versuchte wiederholt, Farnese mit einem gewinnenden Lächeln zu beschwichtigen, was ihm schließlich auch zu gelingen schien, denn als alle aufstanden und den Weg hinüber in den Saal der Spiele nahmen, trat Ambrogio an Jakob heran und forderte ihn freundlich auf, sich mit ihm zu seinem Vetter zu begeben, der Kanzler sehne sich nach geistreicher Unterhaltung. Doch im Saal erfuhren sie von einem Lakaien, daß Ottavio Farnese wegen dringender Geschäfte das Fest eilig habe verlassen müssen.
Jakob wunderte sich ein wenig; längst war es Zeit für die Matutin, und er konnte sich nicht vorstellen, daß irgendein Diplomat nach Mitternacht noch mit Amtsgeschäften beschäftigt war. Auch Ambrogio empfahl sich bald unter Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter, und so konnte Jakob ungehindert zwischen den vielen Gäste umherstreifen und Ausschau halten nach jenem Mann, der ihn am allermeisten interessierte: Fabricio Casale. Es hieß, er sei der heimliche Veranstalter dieses Festes, er habe den Chigi in jeder Hinsicht unterstützt und letztlich dafür gesorgt, daß die Kurie so zahlreich und würdig vertreten war. Außerdem gab es Gerüchte, der Bankier sei durchaus nicht aller Sorgen ledig, sondern kämpfe sogar mit erheblichen finanziellen Problemen, weshalb das Silber morgen im Schutz von Dämmerung und Nebel wieder aus dem Tiber gezogen werde; aufgefangen durch verborgene Netze, gehe kein einziger Teller dem Gastgeber verloren, die zur Schau gestellte Prahlerei sei lediglich der schlechte Scherz eines beinahe bankrotten Geschäftsmannes. Während Jakob langsam umherschlenderte, vernahm er sogar die Behauptung, Kardinal Alessandro Farnese überlege, Chigi diese Villa abzukaufen, um dem Bankier aus einer nicht unbeträchtlichen Klemme zu helfen.
Zu vorgerückter Stunde verstärkte Jakob seine
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