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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Brun
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über Völker und Reiche; du sollst ausreißen und niederreißen, vernichten und einreißen, aufbauen und einpflanzen.‹ So sprach der Herr zu Jeremias. Du weißt es, nicht wahr?«
    Der Kaplan spie erneut nach Jakob und rüttelte an seinen Fesseln.
    »Niemals aber verliert diese Welt ihre Verderbtheit, und an dem Ort, der geheiligter sein sollte als andere Orte, blüht die Sünde greller und bunter als irgendwo sonst. Da legte der Herr seine Finger auf deinen Arm und sprach: ›Setze ein Zeichen, reiße aus und vernichte. Wen solch ein Befehl trifft, der kann nicht anders, als zu gehorchen.‹ – Du warst gehorsam, Ennea, nicht wahr?«
    Doch Ennea sackte in sich zusammen und schwieg.
    Ihre Ungeduld war von Minute zu Minute gewachsen, und als endlich Luigi zu ihnen stieß und von der geglückten Verhaftung des Hurenmörders berichtete, entlud sich die Anspannung in wahren Freudentänzen. Vor allem Serena hüpfte wie verrückt in den Kellerräumen auf und ab und schrie ihren Triumph hinaus; sie hatte entscheidend mitgeholfen, den Mörder ihrer Tante zu finden, und spürte eine tiefe Befriedigung darüber, daß sie nicht aufgegeben hatte, an eine Lösung des Falls und die gerechte Bestrafung des Täters zu glauben. Nun fehlte zu ihrem Seelenfrieden nur noch, daß der Mörder vor Jakob ein Geständnis ablegte. Dem unförmigen Mönch traute sie alles zu, es schien fast, als könne er Berge versetzen. Sie wollte auch nicht mehr daran denken, daß sie in manchen Momenten doch an ihm gezweifelt hatte. Sie mochte seinen kräftigen Händedruck und die sanfte, beinahe scheue Art, mit der er ihr gelegentlich über den Kopf strich. Jemanden wie ihn hätte sie gern zum Vater gehabt, aber vielleicht sorgte er ja weiter für sie, so daß ihr das Schicksal erspart blieb, für Apollonia eine Puttana abzugeben.
    Als Jakob zu ihnen in den Keller trat, bestürmten ihn Cesare, Luigi, Massimiliano, Filippo und Serena mit der Bitte, über das erste Verhör im Gefängnis zu berichten, und Enttäuschung machte sich breit, nachdem sie vernommen hatten, wie verstockt Ennea sich gezeigt hatte.
    Serena erkannte an Jakobs Augen seine tiefe eigene Enttäuschung; sie trat vor ihn hin und versuchte ihn zu trösten. »Du mußt meinetwegen nicht traurig sein. Ich vertraue auf die Gerechtigkeit Gottes; es ist schon viel wert, daß der Mörder im Gefängnis sitzt.«
    »Da hast du recht«, erwiderte Jakob und lächelte. »Wir werden uns einige Wochen gedulden müssen, bis er sich durchringt, seine Taten zu gestehen. Sorgen mache ich mir lediglich wegen des Vatikans; der Kanzler wird toben, wenn er davon erfährt, daß ein Verdächtiger vom Governatore in Haft genommen ist. – Deshalb kann ich auch nicht länger bei euch bleiben, sondern muß mich auf den Weg in die Kanzlei machen. Unternehmt bitte nichts, und haltet euch nach Möglichkeit versteckt. In einem ordentlichen Strafprozeß brauche ich euch als Zeugen. Und keinesfalls dürft ihr irgend jemandem etwas erzählen, verstanden?«
    Sie nickten und versicherten Jakob hoch und heilig, nichts gegen seinen ausdrücklichen Willen zu tun, doch als der Mönch gegangen war, berieten sie, ob sie sich wirklich verstecken und den Fortgang der Dinge abwarten sollten.
    »Ich bin dafür, daß wir Wachen beim Corte Savella aufstellen, falls einer dieser Purpurbuben den Mörder aus dem Kerker holt«, erklärte Luigi mit Nachdruck.
    »Ich weiß nicht«, gab Serena zu bedenken, »ob es einen Sinn hat; wenn der Kaplan von seinem Bischof aus dem Gefängnis geholt wird, können wir nichts dagegen unternehmen, und alles, was wir tun, könnte uns in Gefahr bringen.«
    »Wir sind Gefahr gewohnt und mit Schlimmerem fertig geworden«, brüstete sich Massimiliano und erzählte schaudernd von dem Verlies in der Casa Santa. »Wir müssen die Dinge weiter beobachten.«
    »Er hat recht.« Cesare schlug sich auf Luigis Seite. »Wir haben nicht zwei Wochen lang alles daran gesetzt, den Mörder deiner Tante zu finden, um unsere Hände jetzt in den Schoß zu legen.«
    Luigi meldete sich nochmals zu Wort. »Mit dem Governatore und seinem Gefängnis ist es wie mit dem Walfisch, der die Schiffe versenkt.«
    Fragend blickten sie ihn an.
    »Das ist eine Geschichte, die mein Vater gern erzählt. Im Ozean, so sagt man, gebe es Walfische von solcher Größe, daß sie von Seefahrern für Inseln gehalten werden, besonders dann, wenn sie sich nicht bewegen und mit Wasserpflanzen und Strandgut aus dem Meer bedeckt sind. Wenn aber die Schiffe

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