Der Engel Der Kurie
Suche nach dem Vizedatar. Doch Casale befand sich anscheinend nicht unter den Gästen, und als Jakob den Gartenpalast zweimal durchstreift hatte, gab er die Suche auf; er mußte auf eine andere Gelegenheit hoffen, um den geheimnisvollen Drahtzieher des Vatikans persönlich kennenzulernen.
Er stieg die Treppe in den Saal hinab, der für Glücksspiele vorgesehen war, und gesellte sich an einen Tisch, an dem gewürfelt wurde. Beinahe jeder Mann, der hier sein Glück versuchte, hatte eine Dame an seiner Seite; die schönsten begleiteten eindeutig die Bischöfe. Sie sprachen geziert mit ihren Herren und ermutigten die hohen Würdenträger, größere Beträge auf den Spieltisch zu werfen und dem teuflischen Gott der Würfel zu opfern, und mit tiefen, lüsternen Blicken gaben die Herren zu erkennen, welch heidnisches Verlangen sie trieb und wie wenig sie gewillt waren, wenigstens den Anschein von Würde zu wahren.
Nur einer fiel aus dem Rahmen und betrachtete das Geschehen mit einer Mischung aus Ekel und Zorn; es war Kardinal Gentile Orsini, der seinen suchenden Blick an jeden heftete, der den Anschein erweckte, ein Mezzani zu sein; denn die Kuppler und Schmeichler verkehrten hier zuhauf, um in diesem Trubel den einen oder anderen dicken Fisch auf den Haken zu nehmen.
Jakob ließ Orsini nicht aus den Augen. Zu seiner Überraschung trat Frangipane an den Kardinal heran und flüsterte ihm einige Sätze ins Ohr, woraufhin Orsini erbleichte, Frangipane die Hand reichte und den Saal verließ. Wie beiläufig schlenderte Jakob zu dem Bischof hinüber.
»Was habt Ihr Orsini zugeflüstert«, fragte er und verbarg seine Neugier nicht, »daß er so blaß wurde?«
»Den Namen des Mörders seines Onkels.« Frangipane lächelte. »Nun kann ich beruhigt dieses Fest verlassen und mich jenseits des Ponte Sisto vergnügen.«
»Welchen Namen habt Ihr genannt? Verratet es mir!« Jakobs Stimme klang eindringlich. Eine böse Ahnung beschlich ihn.
»Ambrogio Farnese«, flüsterte Frangipane. »Bona notte.«
Corte Savella
Früh am nächsten Morgen begab sich Jakob auf das Kapitol und legte Ernesto Teofani, dem Governatore und obersten Richter der Stadt, zu dem er nach kurzer Zeit vorgelassen wurde, eine schriftliche Anklage gegen den Kaplan Ennea vor. Den Sekretär Bischof Frangipanes beschuldigte er, die Huren Paola, Dora, Tullia, Bibiana, Antonia und Lydia sowie den Kardinal Aldobrandino Orsini ermordet zu haben. Die erforderlichen drei Zeugen gab er mit den Straßenjungen Luigi und Massimiliano und dem Söldner Carlos Nunez an.
Ernesto Teofani zog ein bedenkliches Gesicht, denn obgleich er für Mord und Totschlag den Blutbann besaß, hielt er sich bei Taten, die mit der Kurie zu tun hatten, in der Regel zurück; und in dem Fall der Dirnenmorde hatte er einen unmißverständlichen Hinweis aus dem Vatikan erhalten, keine Ermittlungen durchzuführen. Erst nachdem Jakob ihm glaubhaft machen konnte, daß er bisher im Auftrag des Kanzlers geheim ermittelt hatte und nun unbedingt einen Tatverdächtigen verhaften mußte, um einer neuerlichen Mordtat – hier log Jakob, um die gute Sache zu befördern – vorzubeugen, zeigte sich der Governatore aufgeschlossener. Als Jakob verschwörerisch andeutete, daß ein hoher Würdenträger in die Angelegenheit verstrickt sei und Teofani mit einer ohne Aufsehen durchgeführten Verhaftung dazu beitrage, den Papst vor Unbill zu schützen, willigte Roms oberster Verwalter ein und stellte Jakob vier Sbirri zur Verfügung. Jakob wies sie rasch in ihre Aufgabe ein, ehe er zu den Häusern der Crescenzi ging und Luigi abholte.
Die Kinder hatten aufgeregt auf ihn gewartet und wollten am liebsten haarklein erfahren, was als nächstes geschehen würde, doch Jakob vertröstete sie auf später; erst müsse der Handstreich gelingen. Cesare hatte noch am Tag zuvor einen kleinen Hund aufgetrieben, und mit dem Welpen machten sich Jakob und Luigi auf nach dem Borgo.
Sie klopften bei Frangipane, und Ennea öffnete ihnen. Als der Kaplan den jungen Hund sah, stieß er einen Freudenschrei aus und nahm das Tier in seine Arme.
»Ihr findet gewiß allein hinauf«, rief er überglücklich und begann den Welpen zu streicheln.
Daß Ennea sich so ablenken ließ, war Jakob mehr als recht. Rasch zog er Luigi die Treppe in den ersten Stock hinauf und klopfte an die Tür von Frangipanes Kaminzimmer. Leise vernahm er den Ruf des Bischofs, öffnete die Tür und hörte in diesem Augenblick, wie unten ein kleiner Tumult entstand und
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