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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sagte ich und hob Mr. Smith aus dem Boot. „Es fragt sich nur, wovor.“
    Ich vertäute das Boot, und plötzlich dachte ich an Lynn Collins. Er hatte vielleicht genauso dagestanden, irgend jemand war hinter ihm gewesen und dann hatte es plötzlich gekracht. Ich drehte mich um.
    Andy, die mir geleuchtet hatte, richtete die Lampe auf mein Gesicht.
    „Mein Gott, Chess, — was ist los?“ fragte sie erschrocken, „Sie machen ja ein — ein fürchterliches Gesicht.“
    Ich atmete tief auf und lachte.
    „So, hab’ ich das? Keine Ahnung. Es ist alles in bester Ordnung.“
    Wir gingen zum Wagen und warteten auf Mr. Smith, der sich absolut nicht schlüssig werden konnte, welcher Baum am geeignetsten war. In dieser Hinsicht war die lange Bootsfahrt für ihn eine Qual gewesen.
    Dann fuhr ich langsam im zweiten Gang den sandigen, steilen Bergweg hinauf und ließ den Wagen mit abgestelltem Motor und Standlicht durch das Tor rollen. Ich zeigte auf den Engel und sagte: „Er hat das Gesicht Ihrer Mutter, Andy, und ein ganz klein wenig ähnelt er auch Ihnen.“
    „Ich bin lange nicht so hübsch, wie Ma es als junges Mädchen war.“
    Ich hielt direkt vor der Haustür, stieg aus und öffnete ihr den Wagenschlag. Sie sprang heraus, blieb eine Sekunde vor mir stehen und nickte mir dann zu.
    „Gute Nacht, Chess!“
    „Gute Nacht, Andy!“
    Sie verschwand im Haus, und wir hatten beide nicht den leisesten Versuch gemacht, uns zu küssen.
    Ich fuhr ganz langsam, um nicht viel Lärm zu machen, um das Rondell herum, bremste und schaute den Engel sehr lange und sehr gründlich an. Sein Gesicht hatte sich verändert.
    Es war nicht mehr das liebreizende Mädchengesicht, wie ich es gestern früh gesehen hatte; es war ein sehr törichtes, hochmütiges und eiskaltes Gesicht.
    Ich brauchte eine Weile, bis ich mir dieses Wunder erklären konnte, aber dann fand ich, daß die Schatten des Mondlichts diese Veränderung hervorrufen mußten. Ich fuhr langsam weiter und ließ den Wagen vor dem Nebenhaus stehen.
    Statt mir die Zähne zu putzen, gurgelte ich noch ausgiebig mit Whisky. Irgend etwas roch nach Andy, ich konnte nicht herausfinden, ob es meine Hände waren, oder was sonst.

10

    Ich war wieder in der Kriminalpolizeischule in San Franzisko, und mein alter Lehrer McIntosh führte mich herum. Alle Unterrichtsräume waren leer.
    „Tja“, sagte er und strich sich nach seiner Gewohnheit über den Bauch, „tja, mein lieber Marlon, das hat sich alles geändert. Jetzt werden keine Detektive mehr ausgebildet, wir brauchen keine mehr.“
    „Und warum nicht, Inspektor? Wird nicht mehr gemordet?“
    „O doch, natürlich wird noch lustig weiter gemordet. Aber wir erwischen die Mörder jetzt ohne Detektive, wir haben das Hollerithsystem eingeführt. Eine großartige Sache.“
    Er zeigte mir ein kleines Kästchen mit vielen Tasten, das ähnlich aussah wie eine Schreibmaschine, nur hatte es mindestens dreimal so viel Tasten.
    „Ein Mann“, erklärte er, „geht hin, wo ein Mord passiert ist, und der drückt diese Tasten. Alles hat eine bestimmte Nummer. So drückt er zuerst die Tageszeit, dann den Ort, das Alter des Toten, sein Geschlecht, seinen Beruf, wie er getötet wurde usw. Ein Messerstich in den Rücken zum Beispiel hat die Nummer 2.7 — 263 —11. Und wenn er dann alles getippt hat, kommt eine kleine braune Karte heraus, und die hat an allen möglichen Stellen lauter winzige Löcher. Diese Karte wird dann in die Zentrale geschickt und in eine große Maschine getan, und dann fliegt die Karteikarte des Mörders heraus. Wir brauchen ihn dann nur noch zu verhaften. — Toll, was?“
    „Ja“, sagte ich, „phantastisch.“
    Ich fühlte auf einmal in meiner Jackentasche lauter kleine Kieselsteine. Einen nach dem andern warf ich unbemerkt in die große Maschine, die plötzlich vor mir stand und leise summte. Ich wollte mit den Steinchen die Maschine kaputt machen, damit nicht alle Detektive arbeitslos würden. Die Steinchen fielen mit lautem Geklicker in der Maschine herum, und McIntosh erwischte mich.
    Ich wachte entsetzt auf. Aber da klickerte es wieder, und ich merkte, daß jemand von unten Steinchen durch die offene Balkontür in mein Zimmer warf. Da war wieder eins!
    Ich sagte mir, daß dies wohl eine großartige Idee sei, mich umzulegen. Würde ich nun meinen Kopf hinhalten, brauchte der Kerl da draußen nur abzudrücken und in den Gebüschen zu verschwinden, und dann konnten sich die anderen damit amüsieren, herauszufinden, wer das

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