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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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getan hatte.
    Geräuschlos schlüpfte ich aus dem Bett, kroch auf allen vieren durch mein Zimmer, nahm meine Hose unter den Arm, steckte meine große Smith & Wesson ein und schlich mich aus dem Zimmer. Auf der Treppe schlüpfte ich in die Hose, und dann suchte ich den zweiten Ausgang. Ich fand ihn am Ende des Flurs. Zum Glück war die Tür nicht abgeschlossen.
    Ich huschte hinaus, schlich ums Haus herum und pirschte mich von den Hibiskusbüschen her dorthin, wo der Steinchenwerfer vermutlich stehen mußte. Ich brauchte ziemlich lange dazu, weil ich ihn nicht durch ein Geräusch warnen wollte.
    Aber ehe ich ihn noch deutlich sehen konnte, roch ich ihn.
    Ich steckte meine Pistole ein und ging auf ihn zu.
    „Na“, sagte ich, „Onkel Richard, was machen wir denn da noch so spät für Scherze?“
    Der Alte fuhr erschrocken herum und starrte mich an, als sehe er ein Gespenst. Dann aber erholte er sich rasch.
    „Pst!“ machte er und legte einen Finger vor den Mund, „man darf uns nicht sehen. Ich muß mit Ihnen sprechen.“
    Da war also wieder einer, der unbedingt mit mir sprechen mußte; wahrscheinlich wußte der auch schon, daß ich nicht Manning hieß. Das Ganze schien sich langsam zur größten Pleite meiner Kriminal=Laufbahn auszuwachsen.
    „Kommen Sie mit rauf, Mr. Dardington“, sagte ich. Er stank auf zwanzig Yards nach Alkohol, und ich hatte das Gefühl, daß man einen Bombenrausch bekommen konnte, wenn man sich länger mit ihm unterhielt; allein dadurch, daß man seine Alkoholfahne einatmete.
    Er ging aber ziemlich senkrecht mit mir hinten herum und die Treppe hinauf, ich schob ihm einen Stuhl an die Balkontür und setzte mich in einiger Entfernung von ihm auf mein Bett. Wir machten kein Licht.
    „Zu trinken haben Sie wohl nichts hier?“ fragte er. Seine Stimme war blechern und heiser.
    „Wenn das alles ist“, sagte ich und warf ihm die Flasche zu, „dann hätte das auch weniger geheimnisvoll geschehen können.“
    Er ließ sich mindestens ein halbes Quart in die Kehle gluckern, ohne abzusetzen, dann sagte er:
    „Kann schon sein, daß ich ein bissel viel trinke. Kann auch sein, daß aus mir nicht soviel geworden ist, wie aus George oder dem armen William. Aber so dumm, wie die hier glauben, bin ich ja nun auch wieder nicht.“
    Ich bestärkte ihn in der Ansicht, daß er ein gewiefter Bursche sei, und er fuhr fort, wobei er mir mit den auffallend hellen Dardingtonaugen listig zublinzelte: „Alles hab’ ich gehört, Mr. Marlon, alles, was Sie Stephen heute abend gesagt haben. Das von Collins und das von Miß Forjeon. Es ist eine schreckliche Sache, Sir. Aber ich muß es Ihnen doch sagen: wenn Sie meinen, daß Stephen es getan hat, dann sind Sie schwer im Irrtum.“
    „Na gut“, sagte ich, „wenn Sie sowieso alles gehört haben, dann müßten Sie auch wissen, daß ich ihn um seine Hilfe gebeten habe. Auch ich glaube nicht, daß er der Täter ist.“
    Er kicherte in sich hinein, rülpste und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    „Mich können Sie nicht für dumm verkaufen“, sagte er, „ich weiß, daß Sie ihm nur eine Falle gestellt haben. Aber da wären ganz andere Leute, denen Sie auf die Finger schauen müßten, ganz andere Leute.“ Er hob die Flasche an den Mund und goß sich den Rest in den Hals. „Ganz andere Leute“, wiederholte er, „aber Stephen ist ein guter Junge. Er hebt einen Regenwurm vom Wege auf und trägt ihn ins Gras, damit ihm nichts geschieht, — so einer ist er. Und er hat nie gemuckst, wenn William ungerecht zu ihm war, und er hat auch gegen Collins nicht aufgemuckt, obwohl es von William unrecht war, ihm diesen Collins als Vormund vor die Nase zu setzen.“
    „Ist ja recht interessant, was Sie mir da erzählen, Mr. Dardington. Aber nun mal raus mit der Sprache! Was wissen Sie von der Sache?“
    „Zigarre haben Sie keine?“
    „Nein, nur Zigaretten. Wollen Sie eine?“
    „Zur Not geht das auch.“
    Ich zündete ihm eine an und gab sie ihm in die Hand. Er rauchte eine Weile mit sichtlichem Genuß, dann sagte er: „Ich bin jetzt vierundsechzig, wissen Sie, — aber ich möchte ganz gern ungefähr achtzig werden. Doktor Russell Garland sagt auch, daß ich das schaffen würde, weil ich ein Herz habe wie ein Stier. Und meine Leber ist in Ordnung, ganz in Ordnung. Aber Williams Leber war es nicht. So sagen sie wenigstens. Das ist natürlich Blödsinn, weil wir Dardingtons großartige Lebern haben. Aber die alte Hexe könnte Ihnen vielleicht sagen, was mit

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