Der Engel von Santa Marguerita
Williams Leber los war.“
Er hockte da und starrte mich erwartungsvoll an. Ich war aufgesprungen und packte ihn nun am Kragen.
„Mann, — wissen Sie, was Sie da in Ihrem Suff behaupten?“
„Nichts“, griente er, „gar nichts. Aber die Alte, die weiß was. Und warum hat denn der Quacksalber, dieser Garland, plötzlich ein Haus und ein Auto, wo sich vorher kein Mensch mehr in seine Praxis getraut hat, weil seine Hände so zittern und weil er einen Blinddarm nicht mehr von einem Laubfrosch unterscheiden kann, he?“
„Sie sagten eben, Mr. Dardington, daß Ihnen dieser Quacksalber ein langes Leben prophezeit hat.“
„Tja, das ist was anderes. Dazu brauche ich ihn ja nicht, und das weiß ich auch so. Aber warum hat er plötzlich Geld?“
Ich bemühte mich, möglichst gelangweilt zu sagen:
„Das ist ja alles ganz uninteressant, Mr. Dardington. Wenigstens für mich. Ich möchte wissen, warum Collins ins Gras beißen mußte. Und warum Miß Forjeon umgebracht wurde.“
Er fuhr sich mit zwei Fingern in den Mund und probierte aus, ob ein Zahn wackelte, und dann meinte er:
„Zu jedem Schloß gibt’s einen Schlüssel. Und sie wird noch mehr Leute umbringen, wenn Sie ihr nicht das Handwerk legen. Aber mich kriegt sie nicht.“ Er kicherte amüsiert vor sich hin, versuchte, ob noch etwas aus der Flasche herauszukriegen wäre, und dann sagte er: „Kann sein, Sie halten mich für einen verrückten Säufer. Kann auch sein, daß ich hin und wieder weiße Mäuse sehe, lauter kleine, weiße Mäuse, die um mich herumlaufen und mich auslachen. Aber daran ist sie auch schuld. Sie hat William und George gegen mich aufgehetzt, und da haben sie mir kein Geld mehr gegeben. Aber William hat das wohl eingesehen und mir in seinem Testament etwas vermacht. Einen ganz schönen Batzen sogar. Er würde für etwa dreitausend Flaschen guten Scotch ausreichen. Und jetzt wird sie mich auch hinmachen wollen, damit das Geld wieder zu ihr zurückkommt. Aber der Onkel Richard ist nicht so leicht zu vergiften wie der arme William.“
Er stand mühsam auf, ängstlich darauf bedacht, daß man ihn von unten nicht im Mondlicht sehen konnte.
„Nichts für ungut, Mr. Detektiv. Hören Sie nicht auf einen alten Säufer. Oh — meine Beine machen nicht mehr so recht mit. Schlafen Sie gut, Sir! Und seien Sie vorsichtig!“
Ich versprach es ihm ganz ernsthaft und brachte ihn die Treppe hinunter. „Wo kann ich Sie erreichen, Mr. Dardington, wenn ich Sie einmal brauche?“
„Hinter dem Labor, Sir, da ist ein Holzhaus. Das Futter für die Kaninchen ist drin, und da habe auch ich meinen Platz. Mir reicht’s. Der Mensch braucht viel weniger, als er immer glaubt. Gute Nacht, Mr. Marlon! Und vielen Dank für den Whisky!“ Er verschwand lautlos in den Büschen.
Ich stand da und hatte an einem Knödel zu würgen, der mir in der Kehle steckte.
Ich ging wieder in mein Zimmer hinauf und machte Licht, weil ich dachte, wenn ich noch eine Weile lesen würde, könnte ich besser einschlafen.
Unter der Whiskyflasche, die neben der Balkontür auf dem Boden stand, lag ein zusammengefaltetes Papier. Es sah aus wie ein recht umfangreicher Schriftsatz, mit einer Heftklammer zusammengehalten, der lange Zeit in einer nicht gerade sehr sauberen Tasche herumgetragen und oft von nicht gerade sehr sauberen Händen angefaßt worden war. Ich hob ihn auf und setzte mich damit auf mein Bett. Es war eine notarielle Abschrift von Doktor William Dardingtons Testament. In der linken Ecke standen die Namen aller Familienmitglieder, und der Name Richard Dardington war mit Rotstift unterstrichen. Ich begann zu lesen. Die ersten Punkte erschienen mir unwichtig, aber dann kamen einige, die geeignet waren, mich den Rest der Nacht wach zu halten. Am allerwichtigsten waren die Paragraphen elf und zwölf.
§ 11
Die Leitung des Labors und der ganzen wissenschaftlichen Versuche soll Lynn Collins übernehmen, und zwar auf die Dauer von fünf fahren, gerechnet vom Datum meines Todes. Nach dieser Zeit geht die Leitung in die Hände meines Sohnes Stephen über, sofern dieser zu diesem Zeitpunkt die Neigung verspürt, die volle Verantwortung allein zu übernehmen.
§ 12
Über das Weiterbestehen meines Lebenswerkes, beziehungsweise dessen Beendigung, entscheidet eine Abstimmung zwischen
William Dardington Stephen Dardington
Lynn Collins Davis Dardington
Die vier Genannten haben je eine Stimme. Jeder ist berechtigt, eine notarielle Abstimmung zu veranlassen. Die absolute
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