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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Wald, der sich zum Weiher hinunterzog.
    Der Weiher war etwa hundertfünfzig Yards lang und sechzig Yards breit. Seine Ufer waren stark verschilft; nur an einer Stelle hatte das Schilf eine Lücke, und das Gras reichte bis ans Wasser. Vom Haus oder dem Labor war von hier aus nichts zu sehen. Alles war still und friedlich. Über dem Wasser flogen schillernde Libellen und irgendwo, nicht weit, gurrten wilde Tauben. Ich fand den Eukalyptusbaum. Eine Handbreit über meinem Kopf zeigte er eine Verletzung. Wenn das die Stelle war, wo die Kugel eingeschlagen hatte, brauchte ich mich nicht weiter zu bemühen: irgend jemand hatte sie schon herausgebohrt.
    Ich bummelte ein Stück weiter um den See herum und entdeckte plötzlich auf der gegenüberliegenden Seite einen kleinen Steg, und auf dem Steg saß ein Mann mit einer Angel.
    Ich weiß, daß man nur zu einem Angler hinzugehen braucht, um ihn in Raserei zu versetzen, und deshalb machte ich kehrt, um dorthin zurückzukehren, woher ich gekommen war. Aber ein gellender Pfiff hielt mich zurück, und der Mann brüllte herüber:
    „Hallo, — Sie! Suchen Sie was Bestimmtes?“
    „Ich wollte hier baden“, schrie ich zurück.
    „Das können Sie hier auch. Kommen Sie mal rüber!“
    Das arrangierte sich ja ganz nett, und ein paar Minuten später war ich an der Stelle, wo der Steg ins Wasser hinausging.
    Der Mann war etwa dreißig, bullig gebaut, hatte einen riesigen Sombrero auf dem dicken Schädel, ein buntes Bikinihemd und eine uralte Militärbadehose an. Seine Füße steckten in zerrissenen Sandalen, und die schwarze Behaarung an Armen und Beinen hätte bei einem Gorilla Neid erweckt.
    Ich trat auf den Steg, der ein wenig schwankte.
    „Guten Morgen!“ sagte ich. „Ich bin Chester Manning.“
    Er drehte sich langsam um.
    „Meinetwegen“, sagte er, „und was tun Sie hier?“
    „Ich wollte baden.“
    „Könnten Sie das nicht im Pazifik tun? Das Meer ist nicht weit, und es ist mehr Platz darin.“
    „Habe ich Ihnen die Fische verjagt?“
    Er machte mit seiner Pranke eine lässige Bewegung.
    „Ach was, Fische! Ich hab’ hier noch nie einen Fisch gefangen. Aber ich will hier meine Ruhe haben.“
    „Deshalb hätte ich mich auch wieder stillschweigend verdrückt“, sagte ich.
    „Ich bin Bill Dardington“, sagte er, „und hier ist die einzige Stelle auf diesem gottbegnadeten Stückchen Familienbesitz, wo niemand hinkommt.“
    Er zog eine Flasche Bourbon an einer Schnur aus dem Wasser.
    „Auch einen Schluck?“
    Er gab mir die Flasche, und ich nahm einen Schluck.
    Er nahm seinen speckigen Sombrero ab und fuhr sich mit der Hand über das kurzgeschorene Haar. Seine Augen waren klein und dunkel, und der Ausdruck seines Gesichts glich dem eines Stiers: eine Mischung aus Tücke und Gutmütigkeit.
    „Na“, sagte er nach einer Weile, „nun sind Sie ja wohl dran.“
    „Woran?“
    „Sie gabelt sich so alle zwei Monate einen andern auf, aber keiner ist bis jetzt mit ihr fertig geworden. Sie werden’s auch nicht schaffen.“
    „Vermutlich sprechen Sie von Andrea?“
    „Von wem sonst? Sie hat Sie doch eingeladen, was?“
    „Ja, das schon.“
    Er musterte mich von oben bis unten, dann schüttelte er den Kopf.
    „Nein, Sie schaffen’s auch nicht. Sie brauchte einen, der in der Lage ist, ihr jeden Tag dreimal den Hintern vollzuhauen. Könnten Sie das tun?“
    „Das käme auf einen Versuch an, Mr. Dardington. Einmal hätte ich es schon ganz gern getan, aber es wurden nur zwei Ohrfeigen daraus.“
    Er starrte mich verblüfft an.
    „Was!“ schrie er dann und rappelte sich mühsam auf die Beine. „Sie haben ihr eine gelöscht?“
    „Zwei.“
    Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.
    „Mann“, sagte er, „dann schaffen Sie’s vielleicht doch. — Wann wollt ihr heiraten?“
    „Heiraten?“ sagte ich und überlegte mir, wie ich einem eventuellen Angriff dieser Dampfwalze entgehen könnte, „heiraten? Davon haben wir bis jetzt noch nicht gesprochen.“
    „Komisch“, sagte er, „bis jetzt wollte sie jeden schon am zweiten Tag heiraten, am dritten hatte sie Krach mit ihm, und am vierten hatte sie ihn wie ein Gänseblümchen zerpflückt und die Überreste hinausgeworfen.“
    „Was haben Sie eigentlich gegen Andy?“
    „Ich?“ fragte er ehrlich erstaunt, „ich gegen Andy? Gar nichts! Nicht das geringste! Sie ist ein hysterisches Stück, aber der patenteste Kerl, den man sich denken kann. Ida möchte nur, daß sie einen Mann bekommt, der sie nicht

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