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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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in das Speisezimmer. Es war fast ein Saal, mit schwarzen Renaissance=Möbeln eingerichtet. Auf einem mindestens fünf Yards langen, halbhohen Büfett standen Getränke. Andy stellte mich ihrem Onkel George vor.
    Er war ein schlanker, sportlicher Typ, sah aber eher älter aus als zweiundfünfzig. Wir wechselten einige belanglose Worte, und dann erschien Davis. Er nickte mir zu, gab George Dardington kurz die Hand und goß sich sofort ein Glas halb voll Gin und stürzte ihn unverdünnt hinunter. Er machte einen ziemlich verprügelten Eindruck.
    Ich gab Andy einen Whisky mit Soda. Wir lächelten uns übers Glas hinweg an und tranken. Nach einer Weile kam Mrs. Dardington, der Stephen auf dem Fuße folgte.
    Sie verteilte die Plätze. Sie selber setzte sich ans Kopfende des Tisches; links von ihr hatte Stephen seinen Platz, dann kam Davis, und das letzte Gedeck gehörte anscheinend Bill, der noch nicht da war. Rechts neben ihr saß Onkel George, dann kam Andy und schließlich ich.
    Sie klingelte.
    Der Diener servierte Hummer, Stangensellerie, Salate, Früchte und Toast. Dann mixte er für jeden einen Dry Martini.
    Wir hatten gerade angefangen, als Bill hereinkam. Er brüllte ein lautes „Hallo!“ in die Runde, nickte George, seinem Chef, besonders freundlich zu und setzte sich mir gegenüber.
    Als er den Hummer sah, verzog er sein Gesicht und winkte ab.
    „Ach was“, rief er zu mir herüber, „wozu soll ich mir mit solchem Ungeziefer den Appetit verderben. Ich warte lieber, bis etwas Richtiges zu essen kommt.“
    Das trug ihm einen strengen Blick seiner Mutter ein. Da Bill als einziger nicht beschäftigt war, hatte er die meiste Zeit zum Reden. Er trank seinen Martini auf einen Zug aus, winkte dem Diener mit dem Glas und sagte zu Andy, indem er mit dem Daumen auf mich zeigte:
    „Dieser Manning hat mich heute morgen glatt aufs Kreuz gelegt. Kannst du dir das vorstellen?“
    „Bill!“ kam es vom oberen Tischende, „du bist hier nicht allein. Vielleicht kannst du dich etwas weniger vulgär ausdrücken.“
    „Na ja“, sagte Bill, „er hat mir den Ranzen ganz schön vollgehauen. — Übrigens, Onkel George! Mir ist heute morgen beim Angeln eine Idee gekommen: vielleicht sollten wir die Gebläseschaufeln doch nicht aus Silumin gießen, sondern Stahl verwenden. Was meinst du?“
    Ich folgte dem Gespräch, aß meinen Hummer und ließ Davis nicht aus den Augen. Er hatte noch kein Wort gesagt, aber ab und zu warf er mir einen raschen Blick zu. Ich wartete sozusagen auf mein Stichwort und hatte mir vorgenommen, meinen Auftritt so wirkungsvoll wie möglich zu gestalten.
    Andy stieß mich leicht an.
    „Was haben Sie denn, Mr. Manning?“
    Ich wollte ihr gerade antworten, als sich Mrs. Dardington an Davis wandte:
    „Oh, Davis, — hast du mir nicht erzählt, du wolltest einen Freund in Yuma besuchen? Ich dachte, du wärest schon fort.“
    Davis warf mir wieder einen schnellen Blick zu, und ich nickte ganz leicht.
    „Ja“, sagte er, „das wollte ich auch. Aber mein Wagen war nicht in Ordnung.“
    Hierauf schien Mrs. Dardington zu entdecken, daß ich auch mit am Tisch saß. Sie musterte mich mit ihren brennenden schwarzen Augen und sagte zu ihrem Schwager:
    „George, — hast du schon mit Mr. Manning gesprochen? Er ist ein Freund von unserem armen Collins.“
    George beugte sich ein wenig vor und nickte mir zu.
    „Sehr bedauerliche Sache“, sagte er, „tut mir sehr leid um ihn. Hat er sich nun selber erschossen, oder ist er erschossen worden?“
    „George!“ rief Mrs. Dardington, „das sind absolut keine Tischgespräche!“
    „Warum nicht?“ fragte ich laut in das Schweigen, das ihren Worten folgte, „ich halte das für ein sehr passendes Thema.“
    „Ich auch!“ rief Bill entzückt, „ich weiß gar nicht, warum man nicht darüber reden soll.“
    „Besonders“, fuhr ich harmlos fort, „besonders jetzt, wo der Mörder doch endlich hinter Schloß und Riegel sitzt.“
    Einige Gabeln klirrten laut, und sechs Personen starrten mich an. Ich stopfte mir den letzten Bissen in den Mund, kaute eine Weile, und dann sagte ich überrascht:
    „Oh, Verzeihung, ich dachte, das würde Sie interessieren.“
    Die erste, die sich soweit gefaßt hatte, war Mrs. Dardington, abgesehen natürlich von Davis und Andy. Ihr Gesicht sah aus, als hätte sie einen Skorpion auf dem Teller.
    „Eine überraschende Neuigkeit, Mr. Manning“, sagte sie, „ich weiß nur nicht, ob Sie den Zeitpunkt für solche Eröffnungen richtig gewählt

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