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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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also nachweisen kann, dass die Spalte des Kindes mit der von mir identisch ist …«
    »Und wie willst du das machen?«, hatte Rex ihn unterbrochen. »Du bist doch …«
    Er hatte nicht gleich das richtige Wort gefunden und deshalb wieder eine ungeschickte Geste gemacht. Dann war es ihm eingefallen: behandelt. Aber bevor er es ausgesprochen hatte, hatte Victor ihm schon eine Mappe zugeschoben.
    »Hiermit«, hatte er gesagt.
    Rex hatte die Mappe aufgeschlagen und mit offenem Mund die Schwarz-Weiß-Aufnahmen angesehen. In scharfen Kontrasten gaben die Fotos gnadenlos die schon vor Jahren verschlossene Wunde preis, von der man jetzt nur noch die Narbe sah. Er hatte die Augen nicht davon abwenden können. Von dem klaffenden Spalt, der längst verschwunden war. Und je länger er hingesehen hatte, desto weiter war auch in ihm selbst eine Wunde aufgerissen. Als wäre der Anblick ansteckend.
    »Und die Frau, Victor?«, hatte er mit Mühe herausgebracht.
    »Die Frau. Weiß sie das?«
    Victor hatte geschwiegen, und Rex hatte verstanden.
     
    Er hatte es ihr nicht erzählt. Er hatte es versucht, aber es nicht geschafft. Es hatte gut angefangen, genau wie er es sich vorgenommen hatte. Er hatte gesagt, das Kind würde aus einer ihrer eigenen Eizellen geboren werden, und dabei wäre kein Samen mit im Spiel. So war es, und das hatte er auch unbeschwert sagen können.
    Sie hatte seine Worte noch einmal für sich selbst wiederholt.
    Eigene Eizellen. Kein Samen.
    Durch ihre überschwängliche Reaktion war Victor sofort klar geworden, dass sie sich bei seinen Worten etwas eingebildet hatte, was er ihr nie hatte vorspiegeln wollen.
    Sie hatte ausgerufen: »Das Kind wird also genauso aussehen wie ich!«
    Er hatte sagen wollen, dass das Kind, das sie zur Welt bringen würde, überhaupt nicht aussehen würde wie sie. In keinster Weise. Er hatte hinzufügen wollen, beim nächsten Mal könne er durchaus ein Kind machen, das ihr ähnlich wäre. Das in allem wäre wie sie.
    Er hatte es sagen wollen. Aber dann hatte sie diesen einen Satz gesagt.
    Sie hatte gesagt: »Ein Kind, das genauso aussieht wie ich. Das wäre ein Geschenk Gottes!«
    Das hatte ihn tief gekränkt.
     
    ***
    Auf dem Gymnasium der Brüder der Christlichen Schulen bekam Victor Hoppe viele Spitznamen, die auf sein Äußeres anspielten. Selbst die Lehrkräfte, unter denen sich neben den Geistlichen auch ein paar Laien befanden, sprachen manchmal über den Rotschopf aus der 2b oder den Jungen mit der Hasenscharte aus der 4a. Victor bekam das zwar mit, erst recht, wenn die Schüler ihm so etwas hinterherriefen, aber es störte ihn nicht. Eigentlich störten ihn nur sehr wenige Dinge. Das war sein Glück in jenen Jahren, denn inzwischen hatte er niemanden mehr, der ihn in Schutz nahm, wie es Bruder Rombout vier Jahre lang getan hatte.
    Wegen seiner apathischen Haltung sagte man, er habe sich mit einer Mauer umgeben, von der alles abpralle. Manchmal geschah das im wörtlichen Sinne, wenn man mit einem Papierkügelchen auf ihn zielte oder ihm einen Ball zuwarf; oft aber auch im übertragenen Sinne, wenn er geneckt oder ausgelacht wurde.
    Weil er nicht oder kaum darauf reagierte, hielten die Piesackereien sich insgesamt in Grenzen. Jeweils zu Beginn des neuen Schuljahres, wenn neue Mitschüler in die Klasse kamen und alle noch damit beschäftigt waren, sich voreinander zu beweisen, bekam Victor immer eine ganze Menge ab, aber schon nach ein paar Wochen wurde er wieder in Ruhe gelassen, und seinem Äußeren zum Trotz fiel er dann in der Klasse kaum noch auf.
    Auch im Internat kümmerte man sich nur wenig um ihn, vor allem weil er ständig mit Lernen beschäftigt war. Victor las und las, immer und überall. Er las in Lehrbüchern, er las in Zeitschriften, er las in Nachschlagewerken.
    Die Liste der Bücher, die er sich aus der Schulbibliothek auslieh, war beeindruckend lang, aber auch sehr einseitig, denn Victor interessierte sich ausschließlich für naturwissenschaftliche Bücher. Nicht ein einziges Mal lieh er sich etwas anderes, Leichteres aus.
    Durch diese extreme Fixierung wurde die Kluft zwischen Victor und den anderen nur noch größer, auch weil er sich, wie es hieß, bisweilen ziemlich komisch benahm. Wenn er überhaupt etwas erzählte, dann immer nur von den Wundern des menschlichen Körpers oder der Funktionsweise eines Röntgenapparats oder von einem neuen Mittel gegen die eine oder andere sonderbare Krankheit. Und wenn er einmal zu reden angefangen hatte, dann sprach er

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