Der Engelmacher
Rex versuchte, die Dinge in seinem Kopf zu ordnen, aber der Rektor sprach bereits weiter, monoton, als lese er eine amtliche Mitteilung vor.
»Die Untersuchung wird sich in erster Linie des Experiments mit den geklonten Mäuseembryos annehmen, das von Solar und Grath in Zweifel gezogen wird. Doktor Hoppe wird seine Methode in der Praxis demonstrieren, und die Kommission wird untersuchen, ob die Behauptungen, die sein Artikel in Cell enthält, mit den Protokollaufzeichnungen übereinstimmen, die er im Zuge der Untersuchung gemacht hat.«
Diese Aufzeichnungen waren ein Labyrinth, in dem einzig und allein Victor Hoppe sich auskannte. Cremer wusste das. Außerdem würde Victor sich weigern, seine Methode zu demonstrieren. Die ganze Prozedur wäre in seinen Augen pure Zeitverschwendung. Auch das wusste er, und doch schien es ihm plötzlich besser zu schweigen. Sollten die Mitglieder dieser Kommission doch ruhig selbst die Erfahrung machen, wie schwierig es war, mit Victor Hoppe zusammenzuarbeiten. Dann würden sie schon begreifen, dass nicht einmal er als Ärztlicher Direktor viel zu sagen gehabt hatte. Wahrscheinlich würde es ihm sogar zum Vorteil gereichen, wenn die Kommission zu dem Schluss kam, dass alles erfunden war. Dann brauchte er nur zu beweisen, dass er nichts damit zu tun hatte. Dass Victor alles ganz und gar eigenständig geplant und durchgeführt hatte.
»Ist das in Ihrem Sinne, Doktor Cremer?«, fragte der Rektor.
Der Ärztliche Direktor starrte noch immer auf die Fotos und begriff allmählich nicht mehr, wie er sich derart hatte mitreißen lassen. Er erinnerte sich noch gut daran, wie aufgeregt er gewesen war, als Victor ihm die Fotos gezeigt hatte, aber auch an seine Bestürzung, als er erfahren hatte, dass es sich um menschliche Embryos handelte. Und er hatte nichts getan. Nichts unternommen. Keine Fragen gestellt. Auch nicht, als Victor ihm gezeigt hatte, wie das Kind bei der Geburt aussehen würde.
»Doktor Cremer?« Die Stimme des Rektors riss ihn aus seinen Gedanken.
Rex sah auf und sagte, die Hände vor dem Kinn zusammengelegt: »Ja, es scheint mir in der Tat geboten, dass wir erfahren, ob wir getäuscht worden sind oder nicht.«
Als Victor erfahren hatte, dass eine Kommission zur Untersuchung seiner Tätigkeiten eingesetzt würde, war er zum Rektor gegangen, um zu kündigen. Der Rektor hatte gesagt, das würde die Außenwelt als Schuldbekenntnis auffassen. Wenn er selbst davon überzeugt war, dass man ihm nichts vorzuwerfen hätte, solle er lieber das Ergebnis dieser Kommission abwarten. Für Victor war die Kommission an sich bereits ein Zeichen des Misstrauens, aber der Rektor versicherte ihm, dass es nicht deren Ziel sei, Lügen in die Welt zu setzen, sondern die Wahrheit deutlicher ans Licht zu bringen und die Kritik von Solar und Grath zu widerlegen. Nachdem Victor kurz nachgedacht hatte, war er damit einverstanden gewesen und hatte seinen Wunsch, die Universität zu verlassen, nicht mehr erwähnt. Wohl aber hatte er sich ausbedungen, während der Tätigkeit der Untersuchungskommission selbst außer Haus zu sein, denn er könne nicht mit ansehen, wie Außenstehende sich an seinem Lebenswerk zu schaffen machten. Als der Rektor ihn gefragt hatte, ob er nicht wenigstens ein einziges Mal seine Methode demonstrieren wolle, hatte er geantwortet, er habe alles schriftlich festgehalten, und der Rest sei eine Frage der Technik und folglich des ausdauernden Übens, das sei bei ihm genauso gewesen. Der Rektor hatte eingewandt, dass die Arbeit der Kommission damit nicht gerade erleichtert werde. Victor hatte jedoch die Rollen subtil umgekehrt und geantwortet, dann hätten die Mitglieder der Kommission doch zumindest die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen.
Gegenüber den Kommissionsmitgliedern spielte Rex Cremer seinen Anteil am Geschehen so weit wie möglich herunter. Er gab zu, dass er als Ärztlicher Direktor mehr Kontrolle hätte ausüben müssen, verteidigte sich aber damit, dass Doktor Hoppe seine Stelle nur unter der Voraussetzung angetreten habe, völlig eigenverantwortlich arbeiten zu können. Regelmäßig habe er versucht, die von Doktor Hoppe angewandte Methode gründlicher kennenzulernen, aber dieser habe nie auf Details eingehen wollen. Die Kommission wollte wissen, ob er sich dann nicht auch so einige Fragen gestellt habe. Cremer gab Auskunft, Doktor Hoppe habe ihn stets aufs Neue davon zu überzeugen gewusst, dass alles eine Frage der Technik sei. Ein Mitglied der
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