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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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Mutter.«
    Nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, war sie erst einmal erleichtert. Als wäre sie erst in diesem Augenblick auch tatsächlich ihre Mutter geworden. Mechanisch strich sie sich mit der Hand über den Bauch, während sie ihre Kinder ansah.
    Sie hatte gar keine überwältigenden Reaktionen erwartet. Aber irgendetwas schon. Etwas Kleines. Ein Kopfnicken oder ein leichtes Lächeln. Mehr wäre gar nicht nötig gewesen.
    »Eure Mutter«, wiederholte sie.
    Hätte sie wenigstens gewusst, dass sie sie verstanden hatten. Das hätte schon genügt.
    Vielleicht glaubten sie ihr auch nicht. Vielleicht hatte der Doktor erzählt, sie hätten keine Mutter. Das hatte er ihr ja auch gesagt. Oder es drang einfach nicht mehr zu ihnen durch. Das wäre viel schlimmer.
    So erleichtert, wie sie gerade noch gewesen war, so trübsinnig war sie jetzt. Sie war tatsächlich nicht ihre Mutter. Sie war es nie gewesen, denn sie war nie für sie dagewesen. In diesem Sinne hatte der Doktor Recht.
    Sie sah die Kinder noch einmal an. Eine Nacht würde sie noch bei ihnen wachen. Eine Nacht wollte sie noch mit ihnen allein sein. Das musste doch gehen. Das konnte sie sich selbst doch wohl gönnen. Eine Nacht noch. Und dann würde sie Hilfe suchen. Dann würde sie für immer auf die Kinder verzichten und sich ihrer Strafe unterziehen. Geduldig.

7
    Sie hatten erwartet, dass der Doktor die Frau in kürzester Zeit vor die Tür setzen würde. Dass er sie überhaupt ins Haus gelassen hatte, war schon eine Überraschung gewesen.
    »Wir müssen ihn vor ihr warnen«, hatte Maria Moresnet gesagt, die ihren zwei Söhnen verboten hatte, noch auf die Straße zu gehen, solange die Frau nicht wieder fort war.
    »Ach, er wird schon bald merken, dass mit der etwas nicht stimmt«, hatte Rosette Bayer die Gemüter beruhigt. »Wir können ja erst mal abwarten.«
    Erst zwei Stunden später hatten sie sie wieder gesehen, an der Haustür.
    »Da, schaut! Da ist sie.«
    Sie hatte Müllsäcke vor die Tür gestellt und war wieder hineingegangen. Rosette und Maria hatte es die Sprache verschlagen.
    Nach einer weiteren Stunde hatten sie den Entschluss gefasst, den Doktor anzurufen. Maria hatte seine Nummer gewählt, und glücklicherweise hatte er abgenommen. In der letzten Zeit hatten verschiedene Bewohner des Dorfes bisweilen vergeblich versucht, ihn zu erreichen.
    Sie hatte es ihm ohne Umschweife eröffnet: »Herr Doktor, die Frau, die bei Ihnen ist, vor der müssen Sie sich hüten. Die sagt so Sachen. Die behauptet so Sachen. Meine Söhne hat sie auch schon belästigt.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie dachte erst, meine Kinder wären die von Ihnen. Sie behauptet, sie wäre davon die Mutter. Aber das stimmt nicht. Das stimmt doch nicht, oder?«
    »Nein, das stimmt nicht. Sie ist nicht die Mutter.«
    »Das dachte ich mir schon. Aber dann dürfen Sie sie nicht zu den Kindern lassen.«
    »Sie ist schon bei ihnen, und sie bleibt auch dort. Sagt sie selbst.«
    »Sie müssen aufpassen. Sie führt mehr Böses als Gutes im Schilde.«
    Am anderen Ende der Leitung war es kurz still geblieben.
    »Ich werde es mir merken«, hatte der Doktor schließlich gesagt. Dann hatte er aufgelegt.
    Im »Terminus« wurde in den nächsten Stunden in einem fort über die Frau gesprochen, die plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war, wie Maria sagte. Man wurde sich schnell darüber einig, dass Doktor Hoppe sie offenbar kannte, denn sonst hätte er sie nie zu seinen Kindern gelassen. Aber ihre Mutter war sie nicht, was auch immer sie behaupten mochte.
    »Meines Erachtens kann sie selbst keine Kinder bekommen und bildet sich deshalb alles Mögliche ein«, sagte Léon Huysmans, der irgendwo gelesen hatte, dass ein unerfüllter Kinderwunsch eine Frau völlig kirre machen konnte.
    »Da kommt man als Frau nicht gegen an«, sagte Maria.
    »Das kommt durch die … wie heißt das noch …«
    »Hormone. Die Hormone«, sagte Léon Huysmans.
    »Genau. Und die sind völlig mit ihr durchgegangen. Sie hat sogar gesagt, es wäre kein Mann daran beteiligt gewesen. Völlig verrückt. Obwohl, stellt euch das mal vor, das wär schon phantastisch. Wenn wir Frauen keinen Mann mehr bräuchten, um Kinder zu kriegen. Dann hätten wir das Reich für uns allein.«
    »Du würdest keinen Tag ohne Mann auskommen, Maria!«, rief Jacques Meekers ihr zu.
    »Problemlos, Jacques, völlig problemlos!«
    »Ich glaube, das wird irgendwann schon im Bereich des Möglichen liegen«, sagte Léon Huysmans. »Dann kann jede Frau ein Kind

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