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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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der Umschläge einen Luftballon erkannt.
    Reinhart und Olaf waren zusammen gekommen und hatten den Geburtstagskindern die Hände geschüttelt. Reinhart war aufgefallen, dass sie alle drei braune Flecken auf den Handrücken hatten.
    »Sommersprossen, wie beim Herrn Doktor auch«, erklärte seine Mutter.
    Der Händedruck selbst war sehr schlaff gewesen.
    Wer Genaueres über das Aussehen der Drillinge wissen wollte, bekam hinterher von den Kindern nur zu hören, was ohnehin längst bekannt war.
    »Sie sind ganz klein und dünn. Man könnte die einfach so wegpusten.«
    »Ihre Gesichter sind ganz weiß, wie bei Clowns.«
    »Und sie haben Froschaugen.«
    »Und einen schiefen Mund.«
    Nach Michel und Marcel Moresnet war schließlich auch Doktor Hoppe zu den Feiernden gestoßen. Es war das erste Mal, dass die Kinder ihn ohne Doktorkittel sahen, und um den Hals hatte er kein Stethoskop hängen, sondern die Polaroidkamera, für die Frau Maenhout tags zuvor in dem kleinen Laden noch drei neue Filmkassetten gekauft hatte.
    Dann hatten die Geburtstagskinder die Geschenke aufgemacht, während ihr Vater ununterbrochen fotografiert hatte. Von Boris hatten sie ein Gänsespielbrett geschenkt bekommen, von Olaf einen Satz Dominosteine und von Michel und Marcel Malbücher, die sie uninteressiert beiseite geschoben hatten. Reinhart, dessen Vater Lkw-Fahrer war, hatte für jeden der drei Brüder eine Matroschka mitgebracht, so eine hölzerne Puppe, in der wieder eine andere Puppe steckt, die eine noch kleinere in sich birgt.
    »Die hat Papa aus Russland mitgebracht«, hatte er gesagt, als sie aus dem Geschenkpapier zum Vorschein gekommen waren. Die Drillinge hatten daraufhin plötzlich unverkennbar großes Interesse gezeigt.
    »Aus Moskau?«, hatte einer gefragt. »Oder aus Leningrad?«
    »Nein, aus Russland«, hatte Reinhart wiederholt.
    Nach den Geschenken war es Zeit für die Torte, die Frau Maenhout selbst gebacken hatte. Sie war damit singend zur Tür hereingekommen, und alle Kinder hatten in das Geburtstagslied eingestimmt. Zwölf Kerzen brannten auf der Torte.
    »Für jeden vier«, hatte sie gesagt. »Die müsst ihr jetzt alle auf einmal auspusten.«
    Michael, Gabriel und Raphael waren aufgestanden und hatten einander an den Händen gefasst. Die anderen Kinder hatten bis drei gezählt, und dann hatten die drei Brüder mit vereinten Kräften gepustet. Mehr als die Hälfte der Kerzen brannte weiter.
    »Ist das alles?«, hatte Michel Moresnet gerufen und mit einem einzigen kräftigen Atemstoß die restlichen Kerzen ausgelöscht.
    »Er wollte doch nur helfen«, verteidigte Maria ihren Sohn, als sie später hörte, dass die Doktorkinder daraufhin in Tränen ausgebrochen waren.
    Danach waren alle zusammen in den ersten Stock gegangen, um das Klassenzimmer zu bewundern. Wegen seines Knöchels hatte Frau Maenhout den kleinen Boris die Treppe hinaufgetragen.
    Nachdem alle Kinder einmal kurz in den Bänken Platz genommen hatten, hatten sich schnell kleine Gruppen gebildet. Gabriel und Raphael waren mit Reinhart zu der Europakarte gelaufen, um ihm zu zeigen, wo Russland lag. Sie hatten ihn gefragt, in welchen Ländern sein Vater sonst noch gewesen war, und ihm erzählt, dass sie selbst aus Deutschland kamen.
    Michael hatte Olaf und Boris seine voll geschriebenen Rechenhefte gezeigt und mit purem Unglauben reagiert, als Boris gesagt hatte, er könne erst bis zehn zählen. Daraufhin war Boris lieber zu Michel und Marcel an die Tafel gegangen, wo die beiden mit der Kreide malten, die sie von Frau Maenhout bekommen hatten.
    Dann hatte unten das Telefon geklingelt. Erst war Frau Maenhout im Raum geblieben und hatte gelauscht, ob der Doktor unten abnahm, dann hatte sie von der Treppe aus »Herr Doktor« gerufen, aber anscheinend hatte er weder das Klingeln noch das Rufen gehört. Sie war die Treppe hinuntergestürmt und hatte das Telefon abgenommen.
    Niemand hat jemals zugegeben, zu diesem Zeitpunkt die Nummer des Doktors angerufen und mit Charlotte Maenhout gesprochen zu haben. Der Name Irma Nussbaum wurde genannt, weil diese Doktor Hoppe des Öfteren telefonisch konsultierte, aber sie bestritt es in diesem Fall hartnäckig. Und Freddy Machon hatte an jenem Mittag im »Terminus« Maria Moresnet telefonieren sehen. Die Mutter von Michel und Marcel behauptete allerdings steif und fest, sie habe mit dem Bierkutscher telefoniert, was sie im Nachhinein mit dem Lieferschein bewies, auf dem Datum und Uhrzeit der Bestellung vermerkt waren.
    Es war auch

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