Der Engelmacher
Innenseite ihrer Schenkel hinuntergelaufen sei, und sie habe hinter sich geschaut, nach unten, wo alles, was so unaufhaltsam aus ihr herausgekommen, für immer verschwunden sei.
Ob er das …
Er verstand es, das hatte sie beruhigt.
Wer hatte letzten Endes Leben genommen?
Victor fragte es sich nicht. Für ihn war es nicht mehr wichtig. Kaum waren die Frauen wieder gegangen, tat er den ersten Schritt zur Durchführung seines Plans. Er nahm den Telefonhörer ab und rief Rex Cremer an.
»Doktor Cremer, hier ist Victor Hoppe. Ich hatte ja versprochen, Sie zurückzurufen.«
»Schön, von Ihnen zu hören, Doktor Hoppe.«
»Erinnern Sie sich noch daran, dass wir letztes Mal über Gott gesprochen haben? Sie sagten, durch mich habe Gott das Nachsehen.«
»Ja, daran erinnere ich mich noch.«
»Ich habe mir die Sache noch einmal überlegt.«
»Es ist also doch so?«
»Ich meinte, dass ich gern etwas anderes ausprobieren würde.«
»Als was?«
»Als Nachfahren ausschließlich weiblicher oder männlicher Elternteile zu züchten. Wenn Gott das Nachsehen haben soll, muss der Mensch sich auf ein anderes Terrain vorwagen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde.«
»Ja, und aus der Rippe Adams machte er eine Frau …«
»Genau. Das ist möglich. Aus einer Rippe eines Mannes eine Frau zu machen. Das ist ohne Weiteres möglich. Es erscheint mir gar nicht sonderlich schwierig. Wenn man aus den Knochenzellen den Kern herausholt und ihn …«
»Doktor Hoppe, ich habe mir bloß einen kleinen Scherz erlaubt. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Doktor Hoppe?«
»Klonen.«
»Klonen?«
»Klonen. Eine genetisch identische Kopie von …«
»Ich weiß, was Sie meinen, aber was wollen Sie denn klonen?«
»Mäuse. Zum Beispiel.«
»Das ist unmöglich. In biologischer Hinsicht ist es unmöglich, Säugetiere zu klonen.«
»Es ist eine Frage der Technik. Mit den richtigen Mitteln muss es funktionieren. Im Prinzip ist es sogar einfacher als mein voriges Experiment.«
»Ich weiß nicht so recht. Sie überfallen mich. Das müssen wir ein andermal besprechen. Wollen wir nicht eine Verabredung treffen? Dann …«
»Morgen. Ich komme morgen.«
»Wie Sie möchten. Zehn Uhr? Wäre Ihnen das recht?«
»Zehn Uhr.«
***
Eines Tages war Johanna Hoppe im Bett liegen geblieben. Sie hatte nichts gegessen und war lediglich kurz aufgestanden, um zur Toilette zu gehen. Auch am nächsten Tag war sie liegen geblieben, und an den Tagen darauf ebenfalls. Ihr Mann, der ein paar Mal versucht hatte, auf sie einzureden, aber immer wieder rüde aus dem Zimmer gescheucht worden war, hatte es schließlich aufgegeben. Zwei Freundinnen, die am dritten Tag vorbeigekommen waren, waren ebenfalls kopfschüttelnd wieder von dannen gezogen. Anfangs hatte sie noch regelmäßig Heulanfälle bekommen, doch mit der Zeit waren diese seltener geworden, so wie auch die Glut in ihren Augen langsam erloschen war. Ein einziges Mal war noch Leben in ihr aufgeflackert: In einer Art von Wutanfall hatte sie minutenlang kräftig mit den Fäusten auf ihren eigenen Schädel eingetrommelt. Danach war sie endgültig zusammengebrochen. Aus ihrem Gesicht war keinerlei Gefühlsregung mehr abzulesen, und von diesem Zeitpunkt an hatte sie nur noch dagelegen, bis auf den Herzschlag regungslos.
Es hatte in Wolfheim niemanden überrascht.
»Sie ist nie darüber hinweggekommen.«
»Der Wahnsinn ihres Kindes war ihr schon lange ins eigene Blut übergegangen.«
»Doktor Hoppe hat sie nach der Schwangerschaft nie mehr berühren dürfen.«
»Sie hat sich fünf Mal täglich gebadet.«
»Nachts hat sie immer das Licht brennen lassen.«
»Wer den Teufel ins Schiff nimmt, muss ihn auch hinüberfahren.«
»Lasset uns beten.«
Genauso wenig hatte es irgendjemanden gewundert, dass der Doktor es auf sich genommen hatte, selbst für seine Frau zu sorgen, statt sie in einem Pflegeheim unterzubringen. Nicht nur konnte er ihren Zustand am besten beurteilen, sondern er konnte ihr auch die Medikamente verabreichen und nötigenfalls eine Infusion anlegen.
»Und für sie ist es das Beste«, hatte er ein paar Mal gesagt, wie er auch immer behauptet hatte, sein Sohn sei bei den Klarissen besser aufgehoben als zu Hause.
Viele Dorfbewohner waren deshalb auch überrascht, als sie eines Tages vernahmen, der Doktor habe das Kind wieder aus dem Kloster geholt und zu sich genommen.
»Er hat es schon so schwer mit seiner Frau.«
»Sie hätte es sowieso
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