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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Brijs
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einzeln aus der Gebärmutter zu ziehen, da hatte ihn etwas zurückgehalten. Als hätte jemand seinen Puls umklammert, bis er seinen Griff um die Zange gelockert und den Arm zurückgezogen hatte.
    Da war er beschämt weggelaufen und hatte die Frau in ihrer unbequemen Lage zurückgelassen. Er war ins Badezimmer gerannt, hatte die Latexhandschuhe ausgezogen und sich lange die Hände gewaschen. Er hatte in den Spiegel gesehen. Weil er sich schon eine Woche keine Zeit mehr dafür genommen hatte, sich zu rasieren, hatte er bereits einen spärlichen Bart. Wieder war ihm aufgefallen, wie sehr er seinem Vater ähnelte, den er immer nur mit Bart gekannt hatte.
    Er hatte weiter in den Spiegel gesehen. Sein rotes Haar betrachtet. Seine Nase. Die Narbe über seiner Oberlippe.
    Und da, in diesem Augenblick, muss die Idee in seinem Kopf entstanden sein. Es war nicht mehr als ein Funke, aber er reichte aus, um das Feuer zu entfachen, das bald hoch auflodern würde.
     
    Als er zu der Frau zurückkehrte, hatte er keine Ahnung, wie lange er sie allein gelassen hatte. Sie war jedenfalls genau so liegen geblieben, wie er sie zurückgelassen hatte, als hätte sie Angst gehabt, mit der geringsten Bewegung den Zwillingen in ihrem Bauch Schaden zuzufügen.
    Sie fragte sofort, was denn los sei. Er antwortete, ihm sei plötzlich beklommen zumute geworden. Das war noch nicht einmal gelogen.
    Dann fragte sie, ob noch alles in Ordnung war. Und ob die Punktion funktioniert habe. Er hatte zweimal gelogen.
    Er half ihr vom Tisch herunter und sagte, sie könne in etwa einer Woche mit dem Ergebnis rechnen. Er hatte sich bereits vorgenommen, dass er ihr dann die Wahrheit darüber erzählen würde, was in ihrem Bauch heranwuchs. Nicht darüber, was er vorgehabt hatte. Das spielte keine Rolle mehr. Er war in Gedanken schon ein Stück weiter. Viel weiter.
     
    Drei Tage später waren die Frauen wieder bei ihm gewesen, sichtbar angeschlagen, und nach der Ultraschalluntersuchung hatte er ihre ängstlichen Vermutungen bestätigen müssen. Daraufhin war die eine Frau in Tränen ausgebrochen und hatte die ganze Geschichte atemlos von vorne bis hinten erzählt, damit der Doktor verstand, dass sie nichts hatte tun können.
    Es habe alles mit heftigen Bauchschmerzen angefangen, und sie sei zur Toilette gegangen und habe gedrückt, erzählte sie. Sie habe schon tagelang keinen Stuhlgang mehr gehabt, und mit einem einzigen langen Tosen hätten ihre Därme sich entleert, während sie sich mit den Händen die Ohren zugehalten habe, um die Geräusche nicht hören zu müssen, die sie da hervorgebracht habe. Es sei ein Gestank gewesen, wie sie ihn von sich selbst gar nicht gekannt habe und von dem ihr übel geworden sei, und noch bevor sie sich hinten abgewischt habe, habe sie die Toilette durchgespült, um all das, was da in ihr gesteckt und dann mit solcher Wucht herausgekommen sei, so schnell wie möglich verschwinden zu lassen.
    Ob er das verstehe?
    Danach habe sie sich abgewischt und wieder durchgespült, zweimal, ohne hinzusehen, mit geschlossenen Augen, so sehr habe sie sich vor sich selbst geekelt. Dann sei sie aufgestanden, aber der Schmerz in ihrem Unterleib sei noch genauso schlimm gewesen, und darum habe sie gedacht, ihre Därme seien noch nicht ganz leer, und darum habe sie sich wieder hingesetzt, und darum habe sie noch einmal gedrückt, weil sie gedacht habe, dann würde der Schmerz schon weggehen, wenn es ihr nur gelänge, einmal so richtig …
    Ob der Doktor das verstehe?
    Und da sei wieder etwas herausgekommen und wieder mit diesen beschämenden Geräuschen und diesem alles durchdringenden Gestank, und hinterher, hinterher habe sie sich vorstellen können, dass dabei vielleicht auch etwas anderes aus ihrem Körper herausgekommen sei, über einen anderen Weg, aber dann, dann habe da unten alles so wehgetan, dass sie gar nicht mehr gewusst habe, was wo herausgekommen sei, und da habe sie wieder alles sofort weggespült, weil sie nicht gedacht hätte, dass dazwischen womöglich …
    »Verstehen Sie das, Herr Doktor?«
    Wieder habe sie sich sauber gemacht, mit ganz, ganz viel Papier, in drei bis vier Lagen, und das ganze Papier habe sie zwischendurch auch immer mehrmals weggespült, mit abgewandtem Gesicht, weil sie sich selbst immer noch so eklig gefunden habe, und dann sei sie aufgestanden, um ihre Hose wieder hochzuziehen, und habe gemerkt, dass der Schmerz nun ganz weg gewesen sei, und dann erst, dann erst habe sie das Blut gesehen, das an der

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