Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder
aufzuschnappen. Der eine oder andere von ihnen war zumindestanständig genug, woanders hinzusehen, als sie aus dem Büro kam. Andere dagegen starrten sie unverhohlen an.
Das war genau die Art von Aufmerksamkeit, die sie hatte vermeiden wollen.
Ihr kam Kitts Rat in Erinnerung, sie solle ruhig mal lockerer sein. Es gelang ihr, die Verärgerung zu überwinden und mit hoch erhobenem Kopf an der Gruppe vorbeizugehen.
Im Büro sah sie, dass Kitt endlich an ihrem Schreibtisch saß. „Sieh an, du kehrst an den Tatort zurück?“, rief sie ihr von der Tür zu.
Kitt sah auf. „Was ist?“
„Du tauchst ja auch noch mal auf.“
„Ich habe gehört, dass Peters dich sprechen wollte. Wie ist es gelaufen?“
M.C. ignorierte die Frage und stellte sich vor Kitts Schreibtisch. „Wo warst du heute Morgen?“ Ihre Partnerin wich ihrem Blick aus. „Hab ich’s mir doch gedacht. Herzlichen Dank.“
„Was redest du da? Kannst du dich auch verständlich ausdrücken?“
„Du wolltest mir die Sache mit Joe heimzahlen, nicht wahr? Ich hoffe, wir sind jetzt quitt, denn ich glaube nicht, dass ich noch mal so eine hinterhältige Attacke mitmachen kann.“
Kitt stand auf, legte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich vor. Als sie sprach, war ihre Stimme leise, doch sie bebte vor Wut. „Glaubst du ernsthaft, ich hätte dich beim Sergeant und bei Sal wegen Brian angeschwärzt?“
„Du warst es nicht?“
„Nein, ich war es nicht, M.C. Ich mache nichts hinter dem Rücken anderer Leute. Was ich dazu zu sagen hatte, dashabe ich dir gestern Abend gesagt. Wenn es wieder etwas gibt, wozu ich meine Meinung kundtun will, dann wirst du es als Erste erfahren.“
M.C. sah sie lange an. „Wer war es dann?“
„Irgendjemand hat euch gehört. Oder Brian hat jemandem davon erzählt, was ich aber eher für unwahrscheinlich halte.“ Sie senkte die Stimme. „Wie übel sieht’s denn für dich aus?“
„Ein Anpfiff, weil ich es nicht von mir aus gesagt habe. Die Ballistiker sehen sich meine Waffe an. In erster Linie stehe ich jetzt in schlechtem Licht da.“
„Jeder von uns macht mal einen Fehler. Ich spreche aus Erfahrung.“
„Das beruhigt mich ungemein.“
Es kam so zynisch über ihre Lippen, dass Kitt lachen musste. „Also beruhigt es dich gar nicht, wie?“
„Nicht im Geringsten.“
„Hör zu, Peanut rief mich gestern Abend an. Er …“
„Detective Riggio?“
Beide sahen auf und entdeckten Sal, der in der Tür stand. In einer Hand hielt er die Glock. „Ihre Waffe.“
„Das ging aber schnell.“
„Ich habe den vorläufigen Bericht über die Waffe erhalten, mit der Lieutenant Spillare erschossen wurde. Die Kugeln stammen aus einem Smithand-Wesson-Revolver, Kaliber 45.“
Die meisten Polizeieinheiten waren Anfang der Siebzigerjahre von diesem Waffentyp auf halb automatische Pistolen umgestellt worden. Die Officers des RPD konnten seitdem zwischen zwei Waffen wählen, beide Kaliber 40: die Glock oder die Smith and Wesson 4046.
Sie nahm die Pistole an sich und steckte sie ins Halfter. „Das alte Lieblingsmodell der Polizei“, meinte M.C. mit Bezug auf den Revolver. „Interessante Wahl für eine Tatwaffe.“
Sal nickte. „Kein Verbrecher, der was auf sich hält, möchte damit gesehen werden.“
„Kann ich Sie kurz sprechen?“, fragte Kitt.
Der Deputy Chief sah auf seine Uhr. „Hat das Zeit bis …“
„Peanut hat sich gestern gemeldet. Er hat mir eine Trophäe von einem der damaligen Morde überlassen. Eine blonde Locke, die mit einem rosa Gummiband zusammengehalten wird.“
Damit war ihr Sals Aufmerksamkeit gewiss. Er nickte knapp. „In mein Büro. Sofort.“
58. KAPITEL
Dienstag, 21. März 2006
10:40 Uhr
Als sie sich in Sals Büro eingefunden hatten, schilderte Kitt, was am letzten Abend passiert war, nachdem sie vom Motel nach Hause gefahren war. Abschließend ließ sie die anderen wissen: „Ich warf ihm vor, er habe Brian umgebracht, aber das leugnete er.“
„Und?“, fragte Sal. „Glauben Sie, es war eine ehrliche Aussage?“
„Ja, das glaube ich. Ich meine, bislang hatte er auch kein Problem damit, sich zu den Morden zu bekennen, die er begangen hat.“
„Aber Brian war ein Cop“, gab Sal zu bedenken.
„Und die Engel waren allesamt Kinder“, hielt sie dagegen. „Ich fragte ihn, ob er selbst auch ein Cop ist, aber er wich der Frage aus. Mir kam es so vor, als hätte ich irgendwie ins Schwarze getroffen.“
Alle Anwesenden schwiegen, bis Sergeant Haas sich räusperte. „Aber
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