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Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Titel: Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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werden eine Familie sein. Sie werden alles …“
    Obwohl Kitt den Rest des Satzes herunterschluckte, konnte sich M.C. vorstellen, wie er hätte lauten sollen: „Sie werden alles haben, was ich verloren habe.“
    M.C. fühlte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Sie hatte Mitleidmit Kitt, doch sie konnte nicht zulassen, dass sie die Ermittlungen gefährdete. M.C. hatte eine Verantwortung gegenüber der Polizei. Ihre Vorgesetzten und die Bürger zählten auf sie. Sie musste einfach alles tun, um einen Straftäter zu fassen.
    Während M.C. dastand, ließ sich Kitt auf einen Stuhl am Küchentisch sinken und legte den Kopf in die Hände. „Es brach mir das Herz“, flüsterte sie. „Allein der Gedanke, er könnte mir so etwas antun. Einfach Sadie zu ersetzen … mich zu ersetzen.“
    M.C. zögerte einen Moment lang, dann ging sie zum Tisch und hockte sich vor den Stuhl. „Erzähl mir bitte, was passiert ist, Kitt“, forderte sie sie leise auf. „Ich werde dir zuhören.“
    „Es gibt da diese Wohltätigkeitsveranstaltung für Kinder mit Leukämie. Wir gehen jedes Jahr hin. Als ich dort war, lief mir Joe über den Weg. Er war mit seiner Verlobten Valerie da, und dann erfuhr ich auf einmal …“ Sie musste durchatmen, ehe sie weiterreden konnte. „Dann erfuhr ich auf einmal von ihrer Tochter. Tami. Joe und ich … wir stritten uns. Ich war so wütend, ich fühlte mich so … so verraten. Unterwegs hielt ich an und kaufte die Flasche Wodka, die … die ich dann fast ganz austrank.“
    Sie schluckte, dann sah sie zu M.C. „Das Gleiche tat ich auch, als Sadie starb. Ich trank, weil ich versuchte, diese Leere in mir irgendwie zu füllen. Und den Schmerz zu betäuben, weil sie mir doch so sehr fehlte. Früher hatte ich nie getrunken. Natürlich mal ein Glas, wenn ich in Gesellschaft war. Ansonsten kam ich in meinem Leben nie mit Alkohol in Berührung, auch nicht, als ich klein war. Mein Großvater väterlicherseits war Alkoholiker gewesen, darum hat meinDad nie ein Glas angerührt.“
    M.C. sah, wie Kitt die Fäuste so fest ballte, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    „Und dann rief er an. So überheblich, so arrogant. Er war auf dieser Veranstaltung gewesen.“
    „Hat er dir das gesagt?“
    „Ja. Er war derjenige, der mir einen rosa Luftballon in die Hand drückte.“ Kitt berichtete, wie sich die Begegnung mit dem Clown zugetragen hatte. „Am Telefon wollte er dann wissen, ob mir der Ballon gefallen habe.“
    Ein Clown mit Ballon. Näherte er sich so womöglich auch seinen Opfern?
    M.C. richtete sich plötzlich wieder auf. „Was hat er sonst noch gesagt?“
    „Dass es noch andere Opfer gibt, die die Polizei nicht mit ihm in Verbindung gebracht hat.“
    „Weiter nichts?“
    „Nein.“ Kitt verschränkte die Finger. „Ich war ein Jahr lang trocken, M.C. Was heute passiert ist, hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich hasse mich selbst dafür. Aber ich verspreche dir, es wird nicht wieder vorkommen.“
    Mit Alkoholismus kannte sich M.C. nicht sonderlich gut aus. Zum Glück hatte es in ihrer Familie nie eine solche Tendenz gegeben. Sie wusste, es war eine Krankheit, und es gab Menschen, die eine gewisse Veranlagung hatten. Und sie wusste auch, dass Willenskraft allein nicht genügte, um die Sucht in den Griff zu bekommen.
    Sollte sie Kitt noch eine Chance geben? Konnte sie sich das leisten?
    Oh verdammt, wie sehr sie es hasste, in einer solchen Zwickmühle zu stecken.
    „Dieses eine Mal“, hörte sie sich plötzlich sagen, „werde ich dir glauben, dass du die Wahrheit sagst, aber wirklich nur dieses eine Mal. Wenn das noch mal vorkommt, gehe ich sofort zum Chief.“
    Noch während ihr diese Worte über die Lippen kamen, fragte sich M.C., ob sie womöglich einen gravierenden Fehler machte. Einen Fehler, den sie unter Umständen teuer würde bezahlen müssen.
    Vielleicht sogar mit ihrem Leben.

32. KAPITEL
    Mittwoch, 15. März 2006
    3:30 Uhr
    Der Andere war nicht erfreut gewesen, sondern er hatte sich ihm gegenüber sogar richtig wütend und grausam aufgeführt.
    Er sah in den kleinen Spiegel über dem Waschbecken, der nach dem Duschen beschlagen war. Mit einer Hand wischte er das Glas frei, doch bevor er sich betrachten konnte, war schon wieder alles beschlagen. Wie konnte der Andere ihn nur so behandeln? Jeder von ihnen war ein Teil des anderen, sie waren nicht zwei, sondern eins. Solange er zurückdenken konnte, war es so gewesen.
    Nicht zwei, sondern eins.
    Er legte die zitternden Hände vors Gesicht.

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