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Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder

Titel: Der Engelmörder - Spindler, E: Engelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Hatte er denn nicht genug gelitten? Er fand einfach keine Ruhe. Wenn er die Augen schloss, sah er gleich wieder den letzten Engel vor sich. Das Bild quälte ihn bei Tag und in der Nacht.
    Wie schrecklich! Wie schrecklich!
    Es war seine Schuld, dass er die Kleine in eine Bestie verwandelt hatte.
    Bestie. So bezeichnete er seit einer Weile heimlich auch den Anderen, wenn er Gewissheit hatte, dass der ihn nicht hören konnte.
    Denn er war tatsächlich eine Bestie. Und ein Schläger.
    Wut stieg in ihm auf, gefolgt von Trotz. Wie konnte der Andere es wagen, ihn zu beschimpfen? Hatte der Andere etwa um Erlaubnis gefragt, als er auf die Idee kam, mit dieser Polizistin sein Spiel zu treiben? Sie anzurufen und ihr nach Belieben irgendwelche Informationen zukommen zu lassen?
    Nein, das hatte er nicht.
    Und wer hatte entschieden, dass der Andere ihr Schicksal in den Händen halten sollte? Nein, er ganz bestimmt nicht.
    Bestie! Bastard!
    Er ließ die Hände sinken und sah im beschlagenen Spiegel eine flüchtige Bewegung. Erschrocken drehte er sich um.
    Doch er war allein im Badezimmer. Die Tür war zwar nicht abgeschlossen, aber zu. Seine Fantasie spielte ihm offenbar einen Streich. Oder etwa nicht? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass der Andere ihm nachspionierte.
    Oder waren es die Engel? Vielleicht war eines der Mädchen – womöglich das, dessen Gesicht vor Entsetzen entstellt war – zurückgekommen und wollte sich an ihm rächen.
    Er ließ sich auf den Boden sinken, bis er mit dem Rücken auf den kalten Fliesen lag. Dann rutschte er rückwärts in Richtung Wand und hielt erst inne, nachdem er sich so in die Ecke manövriert hatte, dass er von dort aus die Tür im Auge behalten konnte.
    Die Minuten verstrichen, während er wartete. Das laute Pochen seines Herzens gab ihm ein Gefühl dafür, wie viel Zeit verging. Schließlich begannen seine Augen zu brennen, und er musste sie zukneifen. Sofort war das Bild wieder da, das von Todesangst gezeichnete Gesicht dieses Mädchens. Er wimmerte und zuckte am ganzen Leib. Magensäure stieg in seiner Kehle auf.
    Er musste dieses Bild loswerden. Aber wie? Wie?
    Ein weiterer Engel. Ein Engel, der diesen Platz einnahm.
    Ein perfekter, schöner Engel.
    Zum Teufel mit dem Anderen. Er musste weder ihn noch sonst jemanden um Erlaubnis fragen.

33. KAPITEL
    Mittwoch, 15. März 2006
    18:00 Uhr
    M.C. hätte es niemandem gegenüber zugegeben, doch sie konnte ein Feigling sondergleichen sein – zumindest dann, wenn es um ihre Mutter ging. Wäre sie nur ein wenig mutiger gewesen, dann hätte sie angerufen und ihr gesagt, dass sie wegen einer Verabredung nicht zum Abendessen vorbeikommen könne.
    Sie wäre dann auch in der Lage gewesen, das anschließende Verhör mit Gelassenheit über sich ergehen zu lassen.
    Stattdessen entschied sie sich dafür, das von ihrem großen Bruder erledigen zu lassen.
    Michael hatte seinen letzten Termin um 17 Uhr, und um 17:45 Uhr war er zu Hause – so pünktlich, dass man nach ihm die Uhr stellen konnte. M.C. scherzte immer, er habe seine Patienten gut erzogen.
    Er wohnte in einem hübschen Viertel namens Churchill Grove, wo er ein in den Zwanzigerjahren erbautes Haus gekauft und nach und nach renoviert hatte.
    M.C. ging die Stufen hinauf, überquerte die Veranda und klingelte. Als ihr Bruder die Tür öffnete, hielt er einen Becher Eis und einen Löffel in den Händen.
    „Du weißt, das Zeugs hier macht fett“, erklärte sie ohne Vorrede.
    „Willst du auch einen Löffel?“, entgegnete Michael.
    Sie schüttelte den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Hast du die Pause wieder durchgemacht?“
    „Mhm.“ Er schloss hinter ihr die Tür, dann bedeutete erihr, ihm in die Küche zu folgen.
    Im ganzen Haus roch es nach Zitrone. „War die Putzfrau heute da?“
    „Ja, zum Glück.“ Sie betraten die moderne Küche, die aber noch immer ihren alten Charme besaß. Vor allem mochte M.C. die schwarzen und weißen Fliesen, die etwas Altmodisches ausstrahlten.
    Nachdem er das Eis in den Kühlschrank zurückgestellt hatte, drehte Michael sich zu ihr um. „Was für eine Freude, dass mich meine Lieblingsschwester besuchen kommt.“
    Was nichts anderes heißen sollte als: Ich weiß, du willst was von mir. Also raus mit der Sprache.
    „Ich bin deine einzige Schwester, Michael.“
    „Ja, aber trotzdem bist du meine Lieblingsschwester. Ein Bier?“
    „Ja, danke.“
    Sie sah ihm zu, wie lässig er sich in seiner kleinen Küche bewegte. Aus dem Kühlschrank nahm

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